Weniger Patienten in den Kliniken
Wichtiger Abbau von Überversorgung oder bedenkliche Zögerlichkeit auch bei schweren Krankheitsbildern?
Berlin. Die Deutschen werden seltener im Krankenhaus behandelt. Das zeigen Zahlen der AOK. Demnach gingen die Fallzahlen 2022 im Vergleich zum Vor-corona-jahr 2019 um 15 Prozent zurück. Das sei ein noch stärkerer Rückgang als 2020 mit minus 13 Prozent und 2021 mit minus 14 Prozent, heißt es in der Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIDO). Auffällig sei demnach, dass Behandlungen, die auch in Arztpraxen durchgeführt werden können, besonders stark aus den Kliniken verschwanden. So waren bei Rückenschmerzen (minus 35 Prozent) sowie Bluthochdruck (minus 35 Prozent) die größten Rückgänge gegenüber 2019 zu verzeichnen, gefolgt von der chronischen Lungenerkrankung COPD (minus 28 Prozent), Diabetes (minus 21 Prozent) und Herzinsuffizienz (minus 14 Prozent).
Das sei ganz im Sinne „der in Deutschland dringend gebotenen stärkeren Ambulantisierung“, sagt Wido-geschäftsführer Jürgen Klauber. Gleichzeitig geht er aber auch davon aus, dass es weniger unnötige Behandlungen gab: „Bei einzelnen Diagnosen dürfte angesichts der großen und anhaltenden Einbrüche auch der Abbau von Überversorgung eine Rolle spielen.“
Allerdings hätten die gesunkenen Fallzahlen auch damit zu tun, dass es in den Kliniken wegen der vielen mit Corona infizierten Beschäftigten „enorme Personalausfälle“gegeben habe, die planbare Eingriffe verhindert hätten. Aber auch akute Behandlungen gingen den Angaben zufolge zurück, etwa bei Herzinfarkten und Schlaganfällen. So wurden im Vergleich zu 2019 im vergangenen Jahr 13 Prozent weniger Herzinfarkte versorgt, die Schlaganfallbehandlungen reduzierten sich um 11 Prozent.
Damit gab es bei diesen Notfällen sogar noch stärkere Rückgänge als im ersten und zweiten Pandemie-jahr. „Wir können uns das nicht hundertprozentig erklären“, räumt Klauber ein. Offenbar seien insbesondere Menschen mit milderen Symptomen weniger im Krankenhaus behandelt worden. Es gelte jedoch weiter der Appell, bei solchen Notfällen „unbedingt und ohne Zögern den Rettungsdienst zu alarmieren“.