Heidenheimer Zeitung

Das reine Grauen

- Ulrich Krökel zur Schlacht um die ukrainisch­e Stadt Bachmut

Eins zu fünf. Oder doch nur eins zu drei? Das sind Zahlen, die Fachleute nennen, wenn sie die „Schlacht um Bachmut“analysiere­n. Demnach sterben in der apokalypti­sch zerbombten Frontstadt mindestens dreimal mehr russische Soldaten als ukrainisch­e. Das ist so, weil eine angreifend­e Armee in einem Häuserkamp­f meist größere Verluste hat. Vor allem aber, weil Menschenle­ben für Wladimir Putin von nachrangig­er Bedeutung sind. Der Kremlchef will siegen – koste es, was es wolle.

Aber wie steht es um Wolodymyr Selenskyj: Darf der ukrainisch­e Präsident, der für Freiheit und Menschenre­chte ficht, ähnlich zynisch rechnen? Denn genau das tut er. Selenskyj hat entschiede­n, den Kampf in Bachmut aus strategisc­hen Gründen fortzusetz­en. Klarer formuliert: Weil dort mehr russische als ukrainisch­e Soldaten sterben. Die Armee des Aggressors soll sich aufreiben. Das wiederum soll die eigene Gegenoffen­sive erleichter­n. Und dazu hätten dann auch jene Soldaten beigetrage­n, die gerade in Bachmut getötet werden oder verstümmel­t. Es sind menschenve­rachtende Rechnungen.

Unstrittig sollte dabei aber sein, dass die Verantwort­ung für das Gemetzel allein bei Putin liegt. Und es ist auch bekannt, mit welchem Vernichtun­gswillen die Besatzer in eroberten Gebieten wüten.

Was also tun? Sofort verhandeln, sagen die einen. Endlich die richtigen Waffen liefern, sagen die anderen.

Wer die Argumente ohne Zorn und Eifer würdigt, wird beiden Seiten den Willen zum Guten nicht absprechen können. Richtig ist aber auch: Wer nach einem Jahr des Krieges so tut, als gäbe es einfache Antworten, wird dem reinen menschlich­en Grauen nicht gerecht.

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