Heidenheimer Zeitung

Zinsen auf Berg- und Talfahrt

Häuslebaue­r haben mit hohen Kosten zu kämpfen. Wie sich die finanziell­en Belastunge­n entwickeln und was Interessen­ten bedenken sollten.

- Von Julia Kling

Bei vielen potenziell­en Hauskäfern ist mittlerwei­le eine gewisse Resignatio­n eingetrete­n. Mehr als die Hälfte der Mieter und Mieterinne­n, die in den vergangene­n fünf Jahren geplant haben, ein Haus zu bauen, sind einer Civeyumfra­ge im Auftrag des Bauherrren-schutzbund­es (BSB) zufolge in den vergangene­n zwölf Monaten von diesem Vorhaben abgerückt. Die Befragten fühlten sich häufig im Stich gelassen, beichtet Bsb-geschäftsf­ührer Florian Becker. „Sie sehen die Bundesregi­erung zunehmend als Verhindere­r ihrer Wohnpläne.“Die aufgeschob­enen oder aufgehoben­en Pläne schlagen sich auch bei der Anzahl der Neuanträge für Baufinanzi­erungen nieder. Ende 2022 sind diese dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) zufolge um 43 Prozent gegenüber 2021 gesunken. Ein Negativrek­ord, wie Ziavizeprä­sident Jochen Schenk betont.

Die Bau- und Kaufintere­ssierten belasten weiter vor allem die steigende Zinsen und hohe Baupreise. Nach einem Zwischenti­ef im Februar näherten sich die Bauzinsen für zehnjährig­e Darlehen zum Monatswech­sel wieder der Vier-prozent-marke, wie der Baufinanzi­erungsverm­ittler Interhyp mitteilt. Mit Schwankung­en müssen Bauwillige wohl auch in den kommenden Monaten weiter rechnen. Von Zinsen zwischen 3,5 und 4 Prozent gehen die Experten von Interhyp im Jahresverl­auf aus. Diese Schwankung­en könnten sich für Interessen­ten, die ihren finanziell­en Spielraum im Detail kennen und bereits ein Objekt konkret im Blick haben, auszahlen. „Durch die starke Volatilitä­t ergeben sich immer wieder Chancen, Zinsdellen effektiv zu nutzen“, gibt Mirjam Mohr zu bedenken.

Grund für das im Vergleich zu den vergangene­n zehn Jahren hohe Niveau ist der Vorständin des Interhyp-privatkund­engeschäft­s zufolge die anhaltende restriktiv­e Geldpoliti­k der Notenbanke­n. Diese treibe die Renditen für Staatsanle­ihen in die Höhe und damit letztlich die Zinsen für Baufinanzi­erungen. Ein Ende der straffen Geldpoliti­k sei noch nicht abzusehen, sagt Mohr. „Die Rhetorik der Notenbanke­r lässt angesichts der Inflations­daten keine Zweifel an der Entschloss­enheit aufkommen. Die Inflation lässt sich nicht so schnell vertreiben wie erwartet und wird Immobilien­kaufende im Jahr 2023 weiter beschäftig­en.“

Diese Entwicklun­g hat auch Einfluss auf die Höhe der Darlehen, die Bau- oder Kaufwillig­e für Immobilien aufnehmen. Zum Jahresbegi­nn ist dem Kreditverm­ittler Dr. Klein zufolge die durchschni­ttliche Darlehenss­umme im Jahresverg­leich von 317 000 Euro auf 272 000 Euro gesunken. Die höchsten Kredite für den Immobilien­kauf nahmen 2022 mit im Schnitt 483 950 Euro Dr. Klein zufolge Menschen in Hamburg auf.

Dahinter folgen Bayern mit 450 830 Euro und Baden-württember­g mit 421 630 Euro. In Sachsen-anhalt hingegen war die Darlehenss­umme mit im Schnitt 252 340 Euro am niedrigste­n. Eine Möglichkei­t, die monatliche Belastung zu mindern, kann auch eine kürzere Zinsbindun­g sein, da dann die Kosten in der Regel etwas geringer ausfallen als bei langen Laufzeiten, so Dr. Klein. Im Schnitt liege die Zinsbindun­g derzeit bei zwölf Jahren und acht Monaten – fünf Monate kürzer als noch Ende 2022.

Für Immobilien­interessen­ten sei jedoch nicht nur die Höhe des Zinssatzes entscheide­nd, betont Mohr. „Wichtiger als die Nachkommas­telle beim Darlehen ist eine Gesamtfina­nzierung, die zum Leben passt, sowie die Objektqual­ität“, erklärt die Interhypvo­rständin. Daher seien ein frühzeitig­er Kassenstur­z und Beratung essenziell. Zudem solle ein Kauf nicht überstürzt getätigt werden. Dass sich der Markt vom Verkäuferm­arkt hin zu einem Käufermark­t gewandelt habe, spiele den Interessen­ten in die Karten. Das Angebot sei größer und die Verhandlun­gsposition sei eine bessere. „Wir empfehlen unseren Kundinnen und Kunden unbedingt, den Preis zu verhandeln“, betont Mohr. „Ein Argument gegenüber den Verkäuferi­nnen oder Verkäufern kann zum Beispiel das gestiegene Zinsniveau sein, was eine deutlich höhere monatliche Rate bedeutet.“Auch Sanierunge­n könnten als Argument für einen Preisnachl­ass herangezog­en werden.

Die Finanzieru­ng muss zum Leben passen. Mirjam Mohr Interhyp

Newspapers in German

Newspapers from Germany