Keine „Schlafschafe“
Fleißig, strebsam, arbeitsam – diese internationalen Klischees halten sich hartnäckig gegenüber den Deutschen. Gerade bei der jüngeren Generation nimmt aber die Bindung zu ihrer Arbeit ab, wie eine Yougov-umfrage aus dem vergangenen Jahr zeigt. Viele würden lieber weniger als mehr arbeiten, heißt es. Das führt dann auch schnell zu überspitzten Äußerungen, bei der Arbeitgeber-vertreter Steffen Kampeter „mehr Bock auf Arbeit“fordert und Arbeitsagentur-chefin Andra Nahles mahnt, dass das Arbeiten eben kein Ponyhof sei.
Doch für einen Großteil der Bevölkerung dürften diese Worte zu Recht ein Affront sein. Zum einen sind da die, die ihrer Tätigkeit nachgehen, weil es für sie mehr Berufung als Beruf ist. Gerade im Pflege- und Gesundheitssektor arbeiten viele Angestellte trotz prekärer Bedingungen und niedriger Löhne. Dass die Arbeit hart ist, wird wohl niemand bestreiten. Ohne sie, die sich bereitwillig der Versorgung und Betreuung ihrer Mitmenschen verschrieben haben, stünde es noch viel schlimmer um die Branche.
Und auch andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kennen sicherlich das Kopfschütteln oder gar die ihnen begegnende Empörung, wenn sie sagen, dass sie gerne in ihrem Job arbeiten, trotz etwaiger widriger Umstände. Wer mit Leidenschaft seinem Beruf nachgeht, oder gar seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat, ist aber alles andere als das, was man neuerdings als „Schlafschaf“bezeichnet, das angeblich die Prinzipien des Kapitalismus nicht durchschaut.
Menschen, die gerne arbeiten, sind nicht zu blöd, um nach einem ausgeglichenen Leben zu streben. Dieselbe Person kann Erfüllung im Beruf erleben und trotzdem nicht 60 Stunden in der Woche arbeiten wollen. Was spöttelnde Stimmen oft übersehen: Der Wunsch, sich nicht vollständig im Job aufzugeben, schließt „Bock auf Arbeit“nicht automatisch aus. Eine komplette Aufopferung für den Job ist sicherlich nicht das ultimative Ziel arbeitsfreudiger Menschen. Die überwiegende Mehrheit dürfte ebenfalls gerne Zeit mit der Familie verbringen und Freizeitaktivitäten genießen.
In den allermeisten Fällen steckt hinter der Leidenschaft für den Beruf noch etwas: Die Erwartungen an die Arbeitsbedingungen sind erfüllt. Und hier dürfte der entscheidende Punkt liegen. Das wachsende Streben nach
Eine komplette Aufopferung für den Job ist sicherlich nicht das Ziel arbeitsfreudiger Menschen.
weniger Arbeitsstunden ist nicht zwingend der Drang der Bevölkerung zur Hängematte, in der sich die Seele wunderbar baumeln lässt. Es bedeutet genauso wenig, dass die mehrheitlich in Teilzeit arbeitenden Mütter unmotiviert seien. Das Gegenteil ist der Fall, viele würden gerne mehr arbeiten.
Eine geringere Arbeitszeit ist ganz einfach ihren Lebensumständen geschuldet: Sorgearbeit ist derzeit nicht anders als mit einer verringerten Stundenzahl am Arbeitsplatz zu leisten. Und wer an dieser Stellschraube dreht, auf Umstände und Bedürfnisse der Arbeitnehmer eingeht, muss nicht nach mehr Leistungsbereitschaft rufen. Es wird am Ende nicht die Phrasendrescherei sein, die mehr Lust auf Arbeit macht.