Heidenheimer Zeitung

Das kleine Opernspiel „Woyzeck“

Das kompakte Opernspiel nach Georg Büchner von Tonio Kleinknech­t und Marijn Simons feierte Premiere in Aalen. Das zeigt die Koprodukti­on des Theaters Aalen und der Opernfests­piele Heidenheim.

- Von Rainer Wiese

Der Schlussapp­laus kam nach 35 Minuten. Zu später Stunde am Freitagabe­nd, um 22 Uhr, hatte „Woyzeck. Opernspiel nach Georg Büchners Drama“Premiere. Der Aalener Intendant Tonio Kleinknech­t hat das Libretto geschriebe­n, eine starke Reduktion des Dramas auf den Handlungsk­ern der tragischen Geschichte des Opfers und Täters Johann Christian Woyzeck, der, von der Obrigkeit misshandel­t, im pseudowiss­enschaftli­chen Menschenve­rsuch gequält, im Wahn seine geliebte Marie umbringt. Die Musik hat Marijn Simons geschriebe­n, es singt der eindrucksv­olle Tenor Musa Nkuna den Woyzeck, grandios spielen und improvisie­ren Neus Estarella am Flügel, Bernd Brunk am Schlagzeug und Aubrey Snell, die als Tambourmaj­or über das Saxofon kommunizie­rt, Woyzeck niederkämp­ft, Marie manipulier­t.

Kompakte Handlung

Das Stück beginnt mit Artistik. Mayra Bosshard als Marie tanzt und turnt auf der Bühne, als das Publikum die provisoris­ch in den Saal eingebaute Tribüne erklimmt. Marie wirkt unbefangen, spielerisc­h, stark, sicher. Auftritt Musa Nkuna mit einfach-schönen

Kantilenen, Woyzeck und Marie nähern sich an, bald packt Marie ihren Woyzeck und trägt ihn aus der Szene ins Intime. Dieweil wirbelt auf der gestuften Zentralbüh­ne ein Militärarz­t, mit harter Schärfe gespielt von Larissa Wagenhals. Er bietet Woyzeck die Teilnahme an einem Experiment an, für geringste Bezahlung soll er monatelang nur Erbsen essen.

Der Doktor-hauptmann kujoniert Woyzeck nach Strich und Faden, erniedrigt ihn bis in die Intimität, treibt ihn in den Wahnsinn. Der Tambour verführt Marie, der Hauptmann macht Woyzeck darauf aufmerksam, Woyzeck dreht durch, ersticht Marie.

Diese kompakte Handlung wird in einer dichten Abfolge von Bildern dargestell­t, die stimmig

aneinander­gereiht werden. Mayra Bosshard spricht mit klarer Stimme als Marie über ihre Lage, Maries Emotionen werden durch ihr starkes Körperspie­l sichtbar: Begeisteru­ng für Woyzeck und die Liebe, Stolz als junge Mutter, Verzweiflu­ng, Hingerisse­nheit in der Verführung durch den Tambour, trotzige Selbstbeha­uptung danach.

Woyzecks Gesang, sein ebenfalls höchst präsentes Körperspie­l, seine intensive Mimik prägen die Atmosphäre des Stückes, sein Elend wird real, das Publikum kann sich kaum noch entziehen, wird und ist mitgenomme­n.

Intensiv, mit virtuoser Brillanz agieren die Pianistin, der Schlagzeug­er, die Saxofonist­in in ihrer Männerroll­e als Tambourmaj­or.

Drei hohe und breite Stufen geben der Bühne Struktur, davor eine große Sportmatte, für die Akrobatik und neutral abgedeckt, das Klavier links, das Schlagzeug rechts. Das Bühnenbild ist optimiert für die Auftritte und Gänge des darstellen­den Ensembles, das Setting nutzt insgesamt den akustisch perfekten Raum optimal und ist in seiner Kargheit attraktiv.

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Foto: Peter Schlipf Musa Nkuna in der Hauptrolle: Das Opernspiel „Woyzeck“ist eine Koprodukti­on des Theaters der Stadt Aalen mit den Opernfests­pielen Heidenheim.

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