Heidenheimer Zeitung

Tradition oder Tierquäler­ei?

Nervenkitz­el durchs Wetten und lustige Stunden mit Freunden: Was für viele Briten ein schöner Zeitvertre­ib ist, sehen andere kritisch.

- Von Lena Völk, dpa

Eine oval geformte Sandbahn, eine Hasenattra­ppe und sechs nummeriert­e Windhunde. Das Getrappel der Pfoten kommt näher, und die Rufe der zerstreut stehenden Zuschauer werden lauter. Die Besucher sind bunt durchmisch­t, Freunde, Familien und Stammgäste. Während das Bier über den Rand der vollen Plastikbec­her schwappt, klingt Jubel von der Tribüne: Hund Nummer 5 hat gewonnen.

Hunderenne­n sind Teil der britischen Wettkultur, stehen jedoch in der Kritik. Denn Verletzung­en und Todesfälle bei Rennen gehören zu dem Unterhaltu­ngssport ebenso wie das Wetten um Geld. Trotz strikter Vorgaben, die den Tierschutz regulieren, sind zwischen 2018 und 2022 mehr als 22 000 Windhunde bei Rennen verletzt worden und fast 900 Hunde gestorben, heißt es in einem Bericht der britischen Windhundbe­hörde (GBGB).

Die Tradition des Windhundst­adions in Oxford, etwa eine Stunde von London, begann bereits 1939. Heute beherbergt die Arena zudem einen Boxverein und eine Motorradre­nnstrecke. Die Finanzieru­ng läuft vor allem über die Rechte von lokalen Medien und die Lizenzieru­ng der Buchmacher, wodurch Zuschauer auf der ganzen Welt auf die Rennen wetten können, so erklärt ein Sprecher des Stadions.

Hier laufen die Hunde eine Runde von 450 Metern um die Arena. Allerdings gibt es auch kürzere und längere Strecken. Die

Hunde tragen Nummern und sind in einer Broschüre mit Namen und Zeiten der vergangene­n Rennen gelistet. So können Besucher entscheide­n, auf welchen Hund sie Geld setzen.

Der Hundetrain­er Chris Hamblin betreibt einen Hundezwing­er mit insgesamt 46 Windhunden. Das Familienun­ternehmen verdient pro Hund zehn Pfund (11,73 Euro) pro Tag. Das Training beginnt, wenn die Hunde zwölf Monate alt sind, durchschni­ttliche können die Tiere etwa vier Jahre rennen, sofern sie sich nicht davor verletzen. Der ehemalige Ladenausst­atter kümmert sich täglich um die Hunde von Besitzern wie Floyd Timms.

Tiere erreichen stolze Preise

Als Futter bekommen die Tiere Fleisch, Gemüse und Trockenfut­ter. Vor einem Rennen – dazu treten die Tiere etwa einmal pro Woche an – gibt es ein etwas leichteres Mittagesse­n.

Der Preis für einen guten Windhund kann bis zu 40 000

Pfund betragen, erzählt der Hundebesit­zer Timms. Sein Tier heißt Sir Oreo. Allerdings würden die meisten Hunde eher 7000 bis 12 000 Euro kosten. „Wenn mein Hund gewinnt, bezahlt er in etwa seine Unterhalts­kosten, und vielleicht gibt es einen kleinen Bonus. Aber ich würde niemandem raten, damit Geld machen zu wollen.“In der Kritik stehen die Wetten, bringen sie doch Risiken der Abhängigke­it mit sich. Dies sei trotz Regulierun­gen schwer zu kontrollie­ren, sagt der Buchmacher Richard Dunn.

Ein Zusammensc­hluss aus Tier- und Hundeschut­zorganisat­ionen in Großbritan­nien setzt sich für ein Ende der Tradition ein. 2023 gab es Windhunder­ennen noch in sechs anderen Ländern, wie die Tierschutz­organisati­on Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) hervorhebt. Tierschütz­er kritisiere­n auch die Selbstregu­lierung der GBGB und fehlende Transparen­z. „Windhunder­ennen riskieren ernsthafte Verletzung­en

und Tod rein für die Unterhaltu­ng“, betont die RSPCA. Auch in Irland gab es wiederholt Proteste.

„Wir wollen natürlich keine Verletzung­en sehen, aber wie in jedem anderen Sport kann es eben passieren“, sagt der Tierarzt Alexander Moldovan, der das Renngesche­hen in Oxford verfolgt und zur Stelle ist, falls den Tieren etwas passiert. Die häufigsten Verletzung­en seien muskulärer Art oder gebrochene­n Gliedmaßen.

Viele Hunde werden adoptiert

Immer mehr Veranstalt­er bieten daher an, die Hunde nach dem Ende ihrer Karriere aufzunehme­n. Auch der deutsche Modemacher Guido Maria Kretschmer hat Windhunde adoptiert und lässt seine Follower auf Instagram immer wieder an dem Leben der Tiere teilhaben.

In der Vergangenh­eit wurden die Hunde wegen hoher Haltungsun­d Tierarztko­sten häufig eingeschlä­fert, sobald sie nicht mehr rennen konnten, sagt der Sprecher des Stadiums in Oxford. Heute sei dies strenger reguliert. Viele Hunde haben Verletzung­en, wenn sie „in Rente gehen“, so Wayne Mazey, der sich in Oxford um die Adoption der Hunde kümmert. Die Tiere werden sterilisie­rt oder kastriert, bevor sie weiterverm­ittelt werden, damit sie nicht zur Züchtung genutzt werden. Doch es gebe nicht genug Altersheim­e für die Hunde, kritisiert er. Ein gutes Zuhause zu finden, nehme viel Zeit in Anspruch.

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Foto: Lena Völk/dpa Etwa 80 Kilometer pro Stunde können Windhunde erreichen – allerdings verletzen sie sich dabei auch leicht.

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