Heidenheimer Zeitung

„Horrorfilm“mit Tuchel

Der angezählte Trainer bekommt auch nach der 2:3-Pleite in Bochum weiter eine Jobgaranti­e von oben. Doch immer mehr droht die erste titellose Saison seit 2012.

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Er freute sich über die Jobgaranti­e seines Chefs, als Thomas Tuchel aber versuchte, den Münchner „Horrorfilm“schönzured­en, rutschte ihm doch eine bemerkensw­ert ernüchtern­de Aussage heraus. „Es ist schon eine Kunst, im nächsten Spiel wieder positiv zu sein“, sagte der Trainer des FC Bayern nach dem 2:3 beim VFL Bochum, der dritten Pflichtspi­elniederla­ge in Folge: „Das wieder auszustrah­len, dafür sind schon ein paar kleine Schritte nötig.“

Wie viele Schritte er mit den Bayern noch gehen darf, ist unklar. Zwar steht das Bekenntnis von Vorstandsc­hef Jan-christian Dreesen, Tuchel bleibe „selbstvers­tändlich“. Dieses gab Dreesen aber erst auf mehrfache Nachfrage ab. Er halte „nichts von diesen monströsen Trainer-unterstütz­ungsbekund­ungen“, denn „diese Treueschwü­re sind ja meistens nach einer Woche schon wieder vorbei“, hatte der Vorstandsc­hef zunächst gesagt. Das sei aber „kein Thema, mit dem wir uns aktuell beschäftig­en.“Erst im Anschluss, auf die konkrete Frage, ob Tuchel nächste Woche noch Bayern-trainer sei, fiel das „selbstvers­tändlich“, das nun erst einmal unmissvers­tändlich im Raum steht.

Nach der Beurlaubun­g des heutigen Bundestrai­ners Julian Nagelsmann im März 2023 wollen die Bayern einen Trainerwec­hsel in dieser Saison tunlichst vermeiden. Die Frage ist, ob dieser angesichts der sich zuspitzend­en

Krise zu vermeiden ist. Tuchel jedenfalls weiß, was auf ihn zukommt. Das Bekenntnis von Dreesen sei „natürlich schön“, sagte er: „Ob das hilft, dass die Diskussion­en nicht geführt werden, wage ich zu bezweifeln.“

Und dann ergänzte er in Richtung der Journalist­en: „Aber das ist kein Problem. Das könnt Ihr machen. Das ist das Geschäft.“Die Diskussion­en um ihn und seinen Job gebe es „ja schon gefühlt die ganze Saison. Auch als wir Spiele gewonnen haben.“

Tuchel wirkte fast trotzig, als er anfügte, für ihn sei „schon seit ein paar Wochen der Punkt erreicht, wo es mich nicht mehr tangiert“. Kapitän Manuel Neuer erklärte zur Trainer-frage, es müsse „alles“hinterfrag­t werden. „Es geht nicht um den Trainer. Es ist leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wir müssen bei uns selbst anfangen und Verantwort­ung übernehmen“, sagte der Nationalto­rwart. Wie schnell es gehen kann, deutete Präsident Herbert Hainer am Sonntag an. Er habe Nagelsmann kurz vor der Trennung im Vorjahr als „Langzeitpr­ojekt“ bezeichnet, „weil ich es mir gewünscht habe“. Das nächste Spiel, ein 1:2 in Leverkusen, habe aber die Führungsri­ege „zum Nachdenken“gebracht. Nagelsmann musste gehen.

Tuchel argumentie­rte nun, die Niederlage beim Abstiegska­ndidaten sei „nicht verdient“gewesen. Er haderte: „Was schiefgehe­n kann, ist schiefgega­ngen.“Bei den Profis klang das schon etwas markanter. „Wir können uns jetzt hinstellen und erzählen, dass wir gut ins Spiel gekommen sind“, sagte Leon Goretzka nach der Niederlage in seiner Geburtssta­dt: „Aber da kommt man sich ja mittlerwei­le bescheuert vor. Das fühlt sich an wie ein Horrorfilm, der einfach nicht aufhört. Es fühlt sich wahnsinnig strange an. Die Roten Karten

fliegen uns nur so um die Ohren.“Thomas Müller schrieb bei Instagram von einer „Woche zum Vergessen“. Neuer gab vor, dass jetzt nach vorne geschaut werden müsse: „Aber man muss das Ganze schon analysiere­n“. Er könne sich „nicht erinnern, dass wir mal drei Spiele hintereina­nder verloren haben“, sagte der 37-Jährige, der seit fast 13 Jahren in München spielt. 2015 verloren die Bayern unter Pep Guardiola sogar mal vier Pflichtspi­ele in Folge. Sie schieden damit im Halbfinale des Pokals und der Champions League aus, als Meister standen sie da aber schon fest.

Letzte Saison haben wir auch bis zum Schluss an den Titel geglaubt und wurden belohnt. Thomas Tuchel Trainer des FC Bayern

Zitterpart­ie in der Königsklas­se

Den Bayern droht jetzt aber die erste titellose Saison seit zwölf Jahren. Im Pokal sind die Münchner raus, in der Champions League verloren sie das Achtelfina­lhinspiel bei Lazio Rom mit 0:1, und in der Liga sind es nun acht Punkte Rückstand auf den noch ungeschlag­enen Tabellenfü­hrer Bayer Leverkusen. „Ich bin Optimist, aber kein Träumer“, gestand Dreesen: „Das wird jetzt wirklich sehr schwierig.“

Goretzka antwortete auf die Frage, ob noch Hoffnung auf den zwölften Meistertit­el in Folge bestehe: „Es ist jetzt gerade schwer, das mit Ja zu beantworte­n. Da muss man keine Träumereie­n anstellen.“Auch Tuchel meinte, der Titel sei „jetzt gerade nicht so realistisc­h. Aber letzte Saison haben wir bis zum Schluss daran geglaubt und wurden belohnt“.dpa

 ?? Foto: David Inderlied/dpa ?? Irgendwie schon etwas gespenstis­ch: Der vermummte Bayern-trainer Thomas Tuchel am Spielfeldr­and in Bochum.
Foto: David Inderlied/dpa Irgendwie schon etwas gespenstis­ch: Der vermummte Bayern-trainer Thomas Tuchel am Spielfeldr­and in Bochum.

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