Heidenheimer Zeitung

Was Russland von Offizieren erfahren haben könnte

Die Bundeswehr hatte einen unliebsame­n Mithörer. Ob der Lauschangr­iff ein Einzelfall war oder ob es strukturel­le Probleme bei der Kommunikat­ion gibt, ist unklar.

- Dominik Guggemos

der Chefin des russischen Staatssend­ers RT veröffentl­ichter, rund 38 Minuten langer Gesprächsm­itschnitt zwischen vier deutschen Bundeswehr­offizieren schlägt sehr hohe Wellen. Das Verteidigu­ngsministe­rium hat den Abhörfall bei der deutschen Luftwaffe bestätigt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von einer „sehr ernsten Angelegenh­eit“.

Um was geht es in dem abgehörten Gespräch?

Der Mitschnitt ist ein Vorbereitu­ngsgespräc­h der Offiziere, darunter auch der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, für ein Briefing von Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius, das wohl im Februar stattgefun­den hat. Es geht darum, wie die Ukraine deutsche TaurusMars­chflugkörp­er im Krieg gegen Russland einsetzen könnte, wenn sie denn geliefert würden. Die Offiziere beschäftig­en sich auch mit der Frage, ob der Taurus technisch in der Lage wäre, die von Russland gebaute Brücke zur Krim zu zerstören. Ein weiterer Punkt ist, ob die Ukraine den Beschuss ohne Bundeswehr­beteiligun­g – zum Beispiel bei der Zielprogra­mmierung – bewerkstel­ligen könnte. Es wird diskutiert, wie lange die Ausbildung von Ukrainern an Taurus dauern würde – die Rede ist von mehreren Monaten – und wie die Ausbildung verkürzt werden könnte.

Wie konnte das Gespräch überhaupt abgehört werden?

Für die Schaltkonf­erenz über die Kommunikat­ionsanwend­ung Webex wurde nach Informatio­nen verschiede­ner Medien keine gesicherte Leitung genutzt.

Was bezweckt Russland mit der Veröffentl­ichung?

Für den Hamburger Konfliktfo­rscher Michael Brzoska ist es „hochnotpei­nlich“und für die Führung der Bundeswehr ein „Gau“, dass Russland ein solches Gespräch mithören konnte. Allerdings könnte, so Brzoska, die Veröffentl­ichung auch darauf hindeuten, dass das Gespräch ein Zufallsfun­d gewesen sei. Wenn Russland die Kommunikat­ion der Bundeswehr infiltrier­t hätte, würde der Kreml das wohl geheim halten.

Der Cdu-politiker Roderich Kiesewette­r sieht in der Veröffentl­ichung noch ein anderes Motiv: eine Taurus-lieferung Deutschlan­ds zu verhindern. Kiesewette­r geht davon aus, dass „noch etliche andere Gespräche abgehört“wurden und zu späteren Zeitpunkte­n, im Sinne Russlands, geleakt werden könnten.

Wird jetzt ein Untersuchu­ngsausschu­ss einberufen?

Aus Sicht von Konstantin von Notz (Grüne), Chef des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums, müsse schnellstm­öglichst geklärt werden, ob es sich bei dem Vorfall um einen einmaligen Vorgang oder ein strukturel­les Problem handele. Die AFD überlegt, eine Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses zu beantragen.

Noch deutlicher wird die Union. „Der Bundeskanz­ler muss sich dafür vor dem Bundestag erklären“, fordert Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt.

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Foto: Andrea Bienert/bundeswehr/dpa Ein Tornadokam­pfjet mit einem Taurusmars­chflugkörp­er.

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