„Voller Schutz ist utopisch“
Die Pflege braucht endlich eine echte Strukturreform, sagt Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Doch anstatt zu handeln, sitze die Regierungskoalition das Problem aus und verstecke sich hinter Kommissionen, kritisiert er.
Die Ampel-koalition hat ja mehrfach ein Konzept für die stabile Finanzierung der Pflege angekündigt. Nun soll es wohl im ersten Halbjahr dieses Jahres kommen. Glauben Sie noch daran? Tino Sorge:
Der Koalition fehlt mittlerweile die Kraft für nachhaltige Reformen, das wird in der Pflege besonders deutlich. Dabei wäre es längst möglich, dem System neue Spielräume zu verschaffen: erstens mit mehr betrieblicher Vorsorge, die auch staatlich gefördert wird, und zweitens mit ergänzenden privaten Vorsorgeangeboten schon im jungen Alter für all diejenigen, die sich das mit rund 20 Euro im Monat leisten könnten. Das würde unser System entlasten, denn angesichts der Demografie stößt die soziale Pflegeversicherung an ihre Belastungsgrenzen. Unsere Vorschläge liegen seit Monaten auf dem Tisch. Die Ampel könnte hier sofort ansetzen, statt sich hinter Kommissionen zu verstecken.
Heimbewohner klagen bereits jetzt über immer teurere Plätze, Heime und Pflegedienste gehen in Insolvenz. Die Pflegekassen sehen schon für das Jahr 2025 große Schwierigkeiten voraus. Das Problem ist jedenfalls akut.
Umso fahrlässiger ist es, dass die Ampel das Problem seit zwei Jahren einfach aussitzt. Nicht einmal die Vorhaben des Koalitionsvertrages werden in Angriff genommen. Das vermeintliche Pflegeentlastungsgesetz war nur ein Tropfen auf den heißen Stein, die meisten Entlastungen wurden von der Inflation gleich wieder aufgezehrt. Eine echte Strukturreform wäre dringend geboten. Doch die Ampel tut das Gegenteil: Selbst den Vorsorgefonds, der für die Pflege der geburtenstarken Jahrgänge angelegt wurde, hat sie auf Eis gelegt.
Was halten Sie denn von einer Pflege-vollversicherung, die also alle Kosten, die auf die Betroffenen zukommen, übernimmt?
Der Gedanke klingt bequem, ist aber völlig utopisch. Das würde zu einem neuen staatlichen Bürokratiemonster und zu massiven Beitragssteigerungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber führen. Dabei haben wir schon heute eine Sozialabgabenlast jenseits der 40 Prozent. Die Ampel hat sich dazu entschieden, Milliarden in das Bürgergeld und fragwürdige Klimaprojekte zu stecken. Die fehlen jetzt in der Pflege.