Langsam und fehleranfällig
Die elektronische Akte lässt Polizisten verzweifeln. Das Pilotprojekt ist von Ulm nach Mannheim abgegeben worden. Wie geht es weiter?
Die elektronische Akte hat schon seit längerem Einzug gehalten bei den Zivilverfahren der Justiz in Baden-württemberg. Die Einführung auch bei Strafverfahren ist bis 2026 geplant. Doch bei der dafür zwingend nötigen digitalen „Ermittlungsakte“der Polizei hakt es. Polizisten in Ulm klagten beim Pilotprojekt über massive Probleme, dort zog der Personalrat die Reißleine. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Bei Ermittlungsverfahren arbeiten Polizei und Staatsanwaltschaften Hand in Hand. Die E-akte im Strafverfahren bei der Justiz ergibt nur Sinn, wenn Ermittlungsergebnisse, Vernehmungen, Protokolle, Unterlagen und Beweismitteldokumente der Polizei dort auftauchen. Im Sprachgebrauch der Polizei heißt dies „E-akte“, Ermittlungsakte. Der künftige Idealfall: Im System der Polizei wird eine elektronische Ermittlungsakte erzeugt, die digital geführt und digital an die Staatsanwaltschaft geht.
Worum geht es bei der E-akte? Wie sieht der Zeitplan aus bei der E-akte für das Strafverfahren?
Bis 2026 soll die E-akte im Strafverfahren bei der Justiz und der Polizei eingeführt sein. 2022 startete in Ulm bei der Staatsanwaltschaft und beim Polizeipräsidium Ulm ein Pilotprojekt, im Wesentlichen in den Revieren Ulm-west und Ulm-mitte. Das Innenministerium beauftragte einen externen Dienstleister.
Wie sahen die Rückmeldungen aus der Polizei aus?
Die waren desaströs. Gegenüber unserer Redaktion führten Polizisten in vertraulichen Hintergrundgesprächen massiv Klage. Dies ist auch die Wahrnehmung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPOLG). Der Landesvorsitzende Ralf Kusterer fasst zentrale Kritikpunkte der Beamten vor Ort zusammen: Die E-akte (Ermittlungsakte) sei aufgrund mehrerer Faktoren extrem zeitaufwändig. Er beschreibt das Programm als sehr langsam, fehleranfällig und unübersichtlich. Zusätzliche Arbeitsschritte, wie Einscannen von Dokumenten, die nur durch besonders geschulte Mitarbeiter durchgeführt werden dürften und mit vielen farbigen Trennblättern versehen werden müssten, verschärften die Zeitproblematik – und erhöhten den Papierverbrauch. Der Support durch die Anbieterfirma sei unzureichend, jeder Staatsanwalt habe andere Anforderungen.
Wie sieht es mit der Überwachung von Vorgängen aus?
Diese sei ebenfalls problematisch, etwa, ob ein elektronisch verschickter Vorgang auch bei der Staatsanwaltschaft angekommen ist. „Was, wenn nicht? Begeht der Polizeibeamte dann sogar Strafvereitelung im Amt?“, fragt Kusterer. Für
Führungskräfte bedeute dies extrem aufwändige Verfahren, was Qualitätssicherungs-prüfungen anbelangt. Die Beamten klagten zudem über oft langanhaltende Ausfälle des Systems, meist bedingt durch eine Schnittstellenproblematik. Die It-infrastruktur sei zudem kaum in der Lage für eine zukunftsorientierte Digitalisierung. Hinzu kamen Probleme mit großen Datenmengen – etwa beim Übermitteln von Videos mit Kinderpornografie.
in Der Personalrat der Polizei hat die Dienstvereinbarung Pilotprojekt gekündigt und eine neue Vereinbarung getroffen. Das Pilotprojekt ist ans Polizeipräsidium Mannheim weitergezogen, in Ulm wird mit der bisherigen Software und im bisherigen Rahmen weitergearbeitet. Es gab aber wohl das Versprechen, dass die einbezogenen Dienststellen personell entlastet werden sollen. Laut Innenministerium ist die
Was waren die Konsequenzen Ulm?
Software inzwischen abgenommen und aktuell laufen die Vorbereitungen für die Ausweitung der Pilotierung in Ulm und Mannheim.
Wie kann das Ganze weitergehen?
Gewerkschaftschef Kusterer befürchtet auch in Mannheim „einen Aufschrei, denn Kollegen hier in Ulm, die seit zwei Jahren mit dieser E-ermittlungsakte arbeiten, halten dieses System für unbrauchbar“. Dabei zweifele auch in Ulm niemand an der Notwendigkeit der Digitalisierung. „Unsere Mandatsträger sind der Auffassung, dass man gerade deshalb, weil ein System eingeführt werden soll, mit dem auf die Zukunft gesehen, lange Zeit gearbeitet werden soll, bei diesem System die Reißleine zu ziehen, die beste Option wäre.“
Was sagt das Innenministerium?
Die beauftragte Firma habe bisher alles unternommen, um die an die Software gestellten Anforderungen zu erfüllen, so das Ministerium. Projekte in dieser Größenordnung stellten aber eine große personelle, technische und auch finanzielle Herausforderung dar und seien regelmäßig mit einem Mehraufwand für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbunden. Eine Pilotierung solle eben gerade Startschwierigkeiten identifizieren und mögliche Schwachstellen frühzeitig erkennen.