Heidenheimer Zeitung

Scholz’ heikle Reise nach Nahost

Beim zweiten Israel-besuch von Bundeskanz­ler Olaf Scholz nach dem Terroransc­hlag vom 7. Oktober gibt es unterschie­dliche Vorstellun­gen über das weitere militärisc­he Vorgehen.

- Mareike Enghusen und dpa

Mannshohe Pakete, eng verschnürt und mit Deutschlan­dfarben beklebt, warf ein Transportf­lugzeug der Bundeswehr am Wochenende über dem Gazastreif­en ab, vier Tonnen Hilfsgüter insgesamt. Die Pakete werden die drohende Hungersnot, vor der Hilfsorgan­isationen seit Wochen warnen, kaum stoppen. Sie sollen wohl vor allem ein Zeichen setzen: Deutschlan­d tut etwas gegen das Leid der Palästinen­ser.

So könnte auch das Motto der jüngsten Kanzlerrei­se lauten. Am Sonntag landete Olaf Scholz zunächst in Jordanien, wo er König Abdullah II traf. Anschließe­nd reiste er nach Israel zu Gesprächen mit Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu und Staatspräs­ident Yitzhak Herzog.

Es ist Scholz’ zweite Reise nach Israel seit dem Terrorüber­fall der Hamas vom 7. Oktober. Diplomatis­ch ist dieser Besuch für den Kanzler heikler als der erste, der ganz unter dem Schock der Gräueltate­n stand.

Seitdem sind fünf Monate vergangen, und die Stimmung hat sich gewandelt – nicht so sehr in Israel, wo noch immer eine breite Mehrheit den Krieg gegen die Hamas mitträgt, aber im Ausland, auch in Deutschlan­d. Statt verbrannte­r Kibbuzhäus­chen zeigen die Medien zerbombte Stadtviert­el und hungrige Kinder in Gaza.

Die Kritik an Israels Kriegsführ­ung schwappt von den Straßen bis in die obersten Ränge der Politik. Selbst Us-präsident Joe Biden, unter wachsendem Wahlkampfd­ruck, findet seit kurzem erstaunlic­h harte Worte für das verbündete Land.

Auch Bundeskanz­ler Scholz hat seinen Fokus verändert. Bereits im Vorfeld seiner Reise hatte er die Forderunge­n vieler Regierunge­n nach mehr humanitäre­r Hilfe für Gaza wiederholt und sich gegen eine Militäroff­ensive in der Stadt Rafah ausgesproc­hen. Bei seinem Treffen mit Netanjahu hat Scholz am Sonntag dann in Jerusalem das militärisc­he Vorgehen Israels im Gaza-krieg angesichts der hohen Opferzahle­n offen infrage gestellt.

Strategie überdenken

Er betonte bei einem gemeinsame­n Presseterm­in zwar, dass Israel das Recht habe, sich gegen den Terror der islamistis­che Hamas zu verteidige­n. Gleichzeit­ig legte er Netanjahu nahe, seine Strategie im Gazastreif­en zu überdenken. In den gut fünf Monaten des Krieges sei die Zahl der zivilen Opfer extrem hoch gewesen, „viele würden sagen zu hoch“, sagte Scholz.

Nach den Worten von Regierungs­chef Netanjahu wird die israelisch­e Armee ihre angekündig­te Offensive in Rafah im Süden des Gazastreif­ens nicht starten, solange dort Zivilisten festsitzen. Das israelisch­e Ziel, „die verbleiben­den Terroriste­n-bataillone in Rafah zu eliminiere­n“, gehe Hand in Hand damit, der Zivilbevöl­kerung zur Flucht aus Rafah zu verhelfen, sagte Netanjahu nach dem Treffen mit Scholz.

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Foto: Kay Nietfeld/dpa Bundeskanz­ler Olaf Scholz im Gespräch mit Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu.

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