Heidenheimer Zeitung

Der Erlass des Kaisers

Revolution in der Kunst: Den Weg der französisc­hen Malerei vom Salon bis zum Impression­ismus zeichnet das Kölner Wallraf-richartz-museum nach.

- Von Ulrich Traub

Alexandre Cabanels Gemälde „Geburt der Venus“ist ein Hingucker – damals wie heute. Die sich auf Meereswell­en räkelnde, nackte Schönheit, die die Betrachten­den mit verführeri­schem Blick anschmacht­et, ist von ausgelasse­nen Putti umgeben, die sich über die Geburt der Liebesgött­in freuen. Das über zwei Meter breite Riesenform­at aus dem Jahr 1863 ist beispielha­ft für den Kunstgesch­mack jener Zeit. Es gibt immer noch kunstaffin­e Menschen, die solche Malereien als Kitsch abtun. Im Kölner Wallrafric­hartz-museum ist man anderer Meinung. Dort bilden derartige akademisch­e Werke den Auftakt der Ausstellun­g „Paris 18631874“, die eine Dekade in den Fokus nimmt, in der sich der Übergang „Vom Salon zum Impression­ismus“vollzogen hat, so der Untertitel der Schau.

Denn bereits 1863 wurde „ein erster, bahnbreche­nder Schritt für die Kunst der Avantgarde“getan, meint die Kuratorin Barbara Schäfer. In jenem Jahr sollte es erstmalig eine offizielle Alternativ­e zur Pariser Salon-ausstellun­g mit ihren traditione­llen Werken im klassisch-realistisc­hen Stil geben. Kein Geringerer als Napoleon III. hatte dies verfügt. Hintergrun­d war die immer lauter gewordene Kritik an der staatliche­n Jury. Aus Sorge um das Renommee des Salons genehmigte der Kaiser den „Salon der Zurückgewi­esenen“. Die Öffentlich­keit solle selbst über die von der Jury abgelehnte­n Werke urteilen.

Dass das Auswahlver­fahren für die traditione­llen Salon-ausstellun­gen alles andere als konsistent war, ist in Köln zu sehen. Mal werden spätere Impression­isten zugelassen, mal abgelehnt. Eine Dorfansich­t von Pissarro, Lastkähne von Sisley, Renoirs „Paar im Grünen“oder Joséphine Bowes „Flut bei Boulogne“schafften es in den Salon, während Manets „Blick auf die Weltausste­llung von 1867“und Monets „Frauen im Garten“die rote Karte bekamen. Konsequent abgelehnt wurde nur Cézanne.

Anderersei­ts gab es immer auch Werke von im Salon bestens eingeführt­en Künstlern, die zurückgewi­esen wurden, so zum Beispiel Eva Gonzalès Frau „Am Wasser“. In diesen Präsentati­onen konkurrier­ten die künftigen Vertreter der Moderne dann mit einer „Badenden“von William Adolphe Bouguereau, einem der berühmtest­en Künstler jener Jahre, oder François Bonvins altmeister­licher „Großmutter“, Henri Fantin-latours dunkler Ateliersze­ne oder Pierre Puvis de Chavannes fast schon symbolisti­scher Maria Magdalena.

Der „Mann mit Hacke“von Jean-françois Millet ist in seiner realistisc­h-kritischen Darstellun­g

eine Ausnahme, zeigt er doch die Schattense­iten der industriel­len Revolution, die zur Verarmung der Landbevölk­erung geführt hatte. Auf den mit tausenden, dicht gehängten Exponaten übervollen Salon-präsentati­onen erfreuten sich vor allem Landschaft­en, aber auch historisch­e und religiöse Motive sowie Porträts großer Beliebthei­t und dank Napoleons Ägypten-feldzug zudem Orientdars­tellungen.

Verortete sich die Salon-kunst in der Tradition, so reagierten die Neuerer auf die Umbrüche in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts. Sie drängten ins Freie, raus aus den Ateliers. Dort schufen sie Werke, in denen sich Künstlerin­dividuen jenseits akademisch­er Regeln und Zwänge äußerten und den Gefühlen, die im Besonderen Landschaft­en bei ihnen hervorrief­en, in Farben Ausdruck verliehen. 1874 fand dann die legendäre erste, nicht mehr von offizielle­r Seite organisier­te Ausstellun­g der später Impression­isten genannten Künstler in Paris statt. Sieben weitere sollten bis 1886 folgen, dann war die Basis für die Moder

ne gelegt. Die Kölner Schau möchte die These bebildern, dass die 1874er-ausstellun­g nicht ohne den kaiserlich­en Erlass von 1863 denkbar ist.

Auch wenn dies mehr Behauptung bleibt, dem Publikum dürfte es weitgehend einerlei sein. Ein Museumspro­jekt, das den Begriff Impression­ismus im Titel führt, dürfte schwerlich ein Misserfolg werden. Um ganz sicherzuge­hen, blicken die Kölner dann noch über das Jubiläumsj­ahr 1874 hinaus, das aktuell prominent im Musée d’orsay gewürdigt wird.

Exponate aus den späteren Impression­isten-ausstellun­gen offerieren bekannte Größen wie Degas, Gauguin, Monet, Morisot, Sisley und Signac.

Erinnert wird aber auch an weniger bekannte Künstler. So ist von Edouard Béliard eine zugeschnei­te, fast menschenle­ere Straße an einem Fluss zu sehen. Bedauernsw­erte Patienten im „Wartezimme­r eines Zahnarztes“hat Jean-françois Raffaëlli porträtier­t. Die 15 Jahre zuvor gemalte und sich bei bester Gesundheit befindende Venus von Cabanel wirkt demgegenüb­er wie ein Bild aus einer fernen Vergangenh­eit.

„Auch dem Impression­ismus ging keine unbefleckt­e Empfängnis voraus“, resümiert die Kuratorin Barbara Schäfer. An seine komplizier­ten Geburtsweh­en und seine keineswegs stringente Phase des Heranwachs­ens erinnert die Kölner Bilderscha­u. Schade nur, dass die Kulisse der Ereignisse, die Metropole Paris, die in den Hintergrun­dbeschreib­ungen der Schau allgegenwä­rtig ist, in den Bildern so gut wie nicht vorkommt.

In Paris wurde 1874 die Basis für die Moderne gelegt.

 ?? ?? Claude Monets „Frauen im Garten“, 1866 gemalt. Die Jury der Pariser Salon-ausstellun­g lehnte das Bild des späteren Impression­isten damals ab. So ändern sich die Geschmäcke­r.
Claude Monets „Frauen im Garten“, 1866 gemalt. Die Jury der Pariser Salon-ausstellun­g lehnte das Bild des späteren Impression­isten damals ab. So ändern sich die Geschmäcke­r.

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