Kränkelnde Instanz ruft um Hilfe
In Deutschland gibt es so wenige Apotheken wie noch nie. Karl Lauterbach will den Trend mit einer Reform stoppen, die Pharmazeuten verlangen eine bessere Vergütung.
Wie sieht die Zukunft der Apotheken in Deutschland aus? Die Zahlen sind zunächst einmal ernüchternd: Es ging 2023 nochmals bergab. Mit 17 571 Apotheken liegt die Zahl inzwischen deutlich unter der Marke von 18 000 – ein Allzeittief. 497 Apotheken weniger als Ende 2022 bedeuteten den größten jährlichen Verlust an Apotheken in der Geschichte der Bundesrepublik. Das wiedervereinigte Deutschland war 1990 mit 19 898 Apotheken gestartet. Der Höhepunkt war 2008 mit 21 602.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will deshalb mit einer Reform, die Ende April ins Kabinett gehen soll, „das Apothekensterben nicht nur aufhalten, sondern es soll mehr Apotheken auf dem Land geben“. Eine Idee: Sogenannte Light-apotheken für den unterversorgten Raum. In denen soll der bisher stets vorgeschriebene Apotheker fehlen dürfen, stattdessen könnten Fachangestellte, nämlich pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA), Fertigmedikamente abgeben. Selbst angefertigte Arznei soll es dort nicht geben, dafür notfalls eine Videoschalte zur Hauptapotheke und ihrem approbierten Inhaber, falls es Probleme geben sollte. Viele Apotheker halten von dieser Idee wenig. „Apotheke ohne Apotheker geht gar nicht“, befindet etwa der Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Benkert.
Das sieht der Dachverband der Betriebskrankenkassen ganz anders. Er fordert in einem Positionspapier, PTA sollten dauerhaft eine Filial-apotheke führen dürfen, insbesondere in strukturschwachen Regionen, um dem Mangel an pharmazeutischer Versorgung entgegenzuwirken. Seit 2004 dürfen Apotheker in Deutschland bis zu drei Filialen betreiben. Neben der begrenzten Anzahl macht die aktuelle Gesetzgebung auch Vorgaben zur räumlichen Nähe zwischen Haupt- und Filialapotheke.
Die Betriebskrankenkassen schlagen dagegen vor, „in Zukunft auch über Kreisgrenzen hinweg Filialen eröffnen zu können“. Zudem möchten sie flexiblere Öffnungszeiten, die sich mehr als bisher „an den vorhandenen Personalressourcen und den Bedürfnissen der lokalen Versorgung orientieren“.
„Honorar auf Stand von 2004“
Die Apotheker dagegen beklagen, dass sich in ihrem klassischen Geschäft, also der Abgabe von Medikamenten, die Vergütung seit Jahren nicht erhöht habe. Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, kritisiert, dass das Honorar der Apotheken seit 20 Jahren stagniere. Das bekam auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu hören, als er vor wenigen Tagen in seinem brandenburgischen Wahlkreis die Apotheke von Mike Beyer in Teltow besuchte. „Ich habe ihm gesagt, dass das Honorar der Apotheken auf dem Stand von 2004 liegt. Das ist zwar nichts Neues, musste aber nochmal gesagt werden, denn das ist der Grund für die vielen Apothekenschließungen“, sagt Beyer. Und für die vielen Streiktage in diversen Bundesländern im vergangenen Herbst.
Und noch ein anderes Ärgernis sprach er an: Das seit Jahren diskutierte, zu Jahresbeginn durchgesetzte E-rezept ist zwar jetzt tatsächlich ein Massenprodukt, die technischen Probleme jedoch reißen nicht ab. Dabei sollte das E-rezept für Patienten, Ärzte und Apotheken Erleichterungen bringen. Der Server dafür laufe aber immer wieder nicht, insbesondere am Vormittag, beklagen Pharmazeuten. „Wir Apotheker
sind ja offen für die Digitalisierung, aber so schlecht, wie es derzeit läuft, darf es nicht weitergehen“, sagt Beyer. Mittlerweile hat die zuständige, mehrheitlich in Bundeshand befindliche Gesellschaft Gematik den entsprechenden Anbieter an die kurze Leine genommen, um Verbesserungen durchzusetzen.
Weitere Betätigungsfelder
In Sachen Vergütung wiederum gilt bisher: Der Apotheker erhält ein „packungsbezogenes Beratungshonorar“von 8,35 Euro für ein verschreibungspflichtiges Medikament. Das ist seit zehn Jahren unverändert. Die Apotheker hätten gern zwölf Euro. Allerdings gibt es auch noch eine prozentuale Vergütung von drei Prozent auf den Einkaufspreis. Neue, teure Medikamente lohnen sich also. Lauterbach will den Festpreis pro Packung erhöhen – schrittweise auf 8,73 Euro ab 2026. Dafür soll die prozentuale Beteiligung letztlich auf zwei Prozent fallen. Er geht davon aus, dass das dem ländlichen Raum nützt, wo viele Ältere Standardmedikamente bekommen und hochpreisige Arznei weniger verbreitet ist. Neue Medikamente würden eher da verordnet, wo es Spezialisten gebe, also in Ballungsräumen, meint Lauterbach.
Auch wenn der Minister den Apothekern nur wenig finanziell entgegenkommen will, verheißt er ihnen doch neue Betätigungsund damit Einnahmefelder. Nachdem Apotheken schon etwa gegen Grippe impfen dürfen, soll man ab 2025 mit einem Gang in die Apotheke nicht nur seine elektronische Patientenakte, sondern auch die sogenannte Gesundheits-id, mit der man etwa Zugriff auf das Online-organspende-register hat, freischalten lassen können. Ob das wirklich hilft, die Zahl der Apotheken zumindest zu stabilisieren, muss sich aber noch zeigen.