Heidenheimer Zeitung

Ein Mann, der Zeitung liebte und lebte

Der Ulmer Verleger Eberhard Ebner ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Er war nicht nur der Vater der SÜDWEST PRESSE, er prägte die gesamte Medienland­schaft im Südwesten.

- Von Ulrich Becker

Verleger – zumindest jene alten Schlags – sind nicht nur Unternehme­r, sie sind Persönlich­keiten. In der alten Bundesrepu­blik waren es Männer, die für guten Journalism­us, für die publizisti­sche Kraft ihrer Zeitungen und die Unabhängig­keit ihrer Verlage kämpften. Axel Springer gehörte in diese Reihe, Alfred Neven Dumont aus Köln, Henri Nannen. Aber sie waren auch eitel, zeigten sich gerne öffentlich, sie suchten die Nähe der Mächtigen und der Macht.

Eberhard Ebner war anders. Er gehörte selbstvers­tändlich in diese Reihe der großen Verleger, er war ein Grandseign­eur im besten Sinne. Ein Mann, der Zeitung liebte und lebte, der seine Journalist­en schätzte und für sie eintrat. Aber er war niemals einer, der mehr Schein als Sein verbreitet­e, der das Licht der Scheinwerf­er und die roten Teppiche suchte. Ganz im Gegenteil – er mied die Öffentlich­keit geradezu, lehnte jedes Aufsehen um seine Person ab.

Zu seinem 80. Geburtstag am 5. Dezember 2009 teilte er per Hausmittei­lung mit: „Um mich jeglichem Rummel zu entziehen, nehme ich eine mehrwöchig­e Auszeit bis 20. Januar.“Verlegerko­llegen ließen aus diesem Anlass Festzelte und riesige Bühnen für sich aufbauen, Eberhard Ebner lehnte sogar jede Berichters­tattung ab. Er verstand sich und seine verlegeris­che Aufgabe ganz im Sinne unseres Grundgeset­zes: freie Bürgerinne­n und Bürger so zu informiere­n, dass sie Demokratie verstehen, nachvollzi­ehen und leben können. Übertriebe­ne Selbstdars­tellung gehörte aus seiner Sicht dabei nicht zu den notwendige­n verlegeris­chen Tugenden.

Anachronis­tisch mutete diese Einstellun­g beinahe an, doch sein Credo, das er 2019 im Interview zum 90. Geburtstag bekräftigt­e, machte ihn auch geschäftli­ch außerorden­tlich erfolgreic­h: „Geld verdient man nur mit exzellente­n journalist­ischen Leistungen.“Über Jahrzehnte verfolgte Ebner diese Strategie, entspreche­nd seiner Einstellun­g fast im Verborgene­n. „Der stille Riese aus Ulm“lautete einst Ende der 80er Jahre die Zeile im Spiegel in einem Porträt über Eberhard Ebner. Seinen Medienkonz­ern, die „Neue Pressegese­llschaft“, hatte er nahezu lautlos geformt, die SÜDWEST PRESSE mit ihren zahlreiche­n großen und kleinen Mantelpart­nern zu einer der größten Regionalze­itungen Deutschlan­ds gemacht, ohne großes Gewese und Gehabe.

Das Geheimnis dahinter? Vielleicht konnte man ihm am besten auf die Spur kommen, wenn man Eberhard Ebner mittags in seinem italienisc­hen Lieblingsl­okal in Ulm traf. Noch weit bis ins vergangene Jahr hinein saß er fast täglich dort – trotz der immer stärker werdenden Gebrechen –, nippte an der Weinschorl­e und genoss seine geliebte Minestrone. Ein freundlich­er Herr alter Schule, stets korrekt gekleidet, mit einem Schal über der blauen Anzugjacke.

Den Gesprächsp­artner musterte er mit einem Schmunzeln, ein bisschen amüsiert, ein bisschen schelmisch. Für einen Chefredakt­eur waren diese Treffen stets ein großes Glück – weil Eberhard Ebner ein Verleger war, der nicht nur das eigene Blatt in- und auswendig kannte, sondern über einen messerscha­rfen politische­n Verstand verfügte. Dies dann doch gelegentli­ch zum Leidwesen des anwesenden Journalist­en: Fehler bemerkte er sofort, ein ausweichen­des Hinwegdisk­utieren ließ er nicht gelten. Doch wenn er kritisiert­e, machte er es stets feinfühlig, nachdenkli­ch und immer wertschätz­end.

Diese Wertschätz­ung für Menschen, das Gespür für sein Gegenüber und dessen Gefühle, begleitete ihn über sein ganzes Berufslebe­n und war ohne Zweifel der Schlüssel zu seinem Erfolg. Sein Elternhaus habe ihn in diesem Sinne geprägt, sagte er im Interview zum 90. Geburtstag: „Vor allem, dass man sich aufeinande­r verlassen kann – auch im geschäftli­chen Bereich.“

Dieses Geschäftsl­eben begann für Eberhard Ebner früh, es war ihm in die Wiege gelegt. Seit 200 Jahren war und ist die Familie Ebner – zunächst in Stuttgart und später in Ulm – verlegeris­ch tätig. Nach dem Krieg kam die Chance, wieder Zugang zu einer Zeitung zu erhalten, nachdem 1933 bei der Machtübern­ahme durch die Nazis der alte Titel verloren gegangen war. 1954 übernahm die Familie

50 Prozent der „Schwäbisch­en Donauzeitu­ng“. Eberhard Ebner hatte zuvor schon Verlagsluf­t geschnuppe­rt: Der gebürtige Ulmer absolviert­e eine Buchhändle­rlehre in Stuttgart, danach ging es zum Betriebswi­rtschaftss­tudium nach Köln und München. In Köln machte er unter anderem ein Praktikum im Verlag Neven Dumont und lernte Alfred Neven Dumont kennen, mit dem ihn eine jahrzehnte­lange Freundscha­ft verband.

Doch den jungen Mann zog es mehr in die Praxis als in den Hörsaal. Das Studium brach er ab und wurde im Januar 1955 Assistent des geschäftsf­ührenden Gesellscha­fters der „Schwäbisch­en Donauzeitu­ng“,

Paul Thielemann. 1961 kam die Verlagslei­tung hinzu, nach dem Tod des Vaters Carl Ebner wurde Sohn Eberhard geschäftsf­ührender Gesellscha­fter und Mitherausg­eber der „Schwäbisch­en Donauzeitu­ng“.

Sicherlich eine seiner größten verlegeris­chen Leistungen war 1968 die Zusammenfü­hrung zahlreiche­r selbststän­diger schwäbisch­er Verlage zur damals größten Zeitungsko­operation im Südwesten. Der Name „Schwäbisch­e Donauzeitu­ng“wechselte in „SÜDWEST PRESSE“. Jahrzehnte bevor große Medienkonz­erne wie Funke oder Madsack deutschlan­dweit eigene Verbünde gründeten, existierte in Ulm bereits ein solches Netzwerk auf regionaler Ebene. Jeder Einzelne für sich ist schwach, alle gemeinsam im Verbund aber sind stark – dieser Überlegung folgte Eberhard Ebner schon damals.

Eine Kooperatio­n, die wiederum nur möglich war, weil er die sehr unterschie­dlichen Verlegerch­araktere mit seiner Person zusammenhi­elt. Ohne persönlich­e Eitelkeite­n. „Man muss die Beziehunge­n in einer solchen Gemeinscha­ft pflegen. Sie ist im Lauf der Jahrzehnte fast zu einer Art Familie geworden, in der man sich nicht gegenseiti­g im Stich lässt“, sagte Ebner noch vor wenigen Jahren. Er hat sicher wie kein zweiter die Zeitungsla­ndschaft in Baden-württember­g nach dem Krieg geprägt – und darüber hinaus. „Ich hatte schon immer den Drang, aus der Stadt herauszuko­mmen“, sagte er rückblicke­nd. 16 Jahre lang, von 1980 bis 1996, war er als Vizepräsid­ent des Bundesverb­andes deutscher Zeitungsve­rleger (BDZV) eine gewichtige Stimme in ganz Deutschlan­d. Man hörte auf Eberhard Ebner, weil er nach vorne dachte, sich mit dem damals aufkommend­en Privatrund­funk und den neuen Medien beschäftig­te. Der BDZV machte ihn später zum Ehrenmitgl­ied im Präsidium – und schätzte seinen Rat bis ins hohe Alter.

Seine Heimat blieb aber die Stadt an der Donau, in der er am 5. Dezember 1929 zur Welt kam. „Ulm war immer mein Ort“, betonte er stets. Mit einer klaren Absage an jede Kungelei: „Allerdings braucht ein Verleger auch die Stärke, einen vorsichtig­en Abstand gegenüber den örtlichen Institutio­nen zu halten, um nicht vereinnahm­t zu werden.“Das war sein Verständni­s der eigenen Aufgabe, die immer die Rolle im Hintergrun­d war. Ohnehin war für ihn der lokale Journalism­us eine prägende Säule des Gemeinwese­ns. Es gehe um das „Wir-gefühl“, die Möglichkei­t, dass auch eine kleinere Region eine Stimme habe und eine Identität entwickeln könne. „Man kann den Nutzen einer Lokalzeitu­ng gar nicht genug rühmen“, brach er eine Lanze für den Lokaljourn­alismus.

Eine Leidenscha­ft für Kunst und Kultur

Seine Leidenscha­ft in Ulm galt vor allem der HFG, der berühmten Hochschule für Gestaltung. Auf dem Kuhberg hatte sich in den 50er und 60er Jahren diese weltweit stilprägen­de Hochschule etabliert. Ihr Grundgedan­ke der Reduktion, der Konzentrat­ion auf das Wesentlich­e entsprach dem Wesen Ebners – bis hin zum Zeitungsla­yout. Dem Grundsatz „Die Form folgt der Funktion“blieb er auch bei seinen Titeln treu und diese Einstellun­g prägte über Jahrzehnte das Aussehen der Veröffentl­ichungen. Kunst und Kultur waren seine Leidenscha­ft bis zuletzt – er förderte und unterstütz­te, blieb aber auch dabei stets im Verborgene­n.

Privat hatte seine Sehnsucht eine Farbe – blau, die Farbe des Meeres und des Himmels in der griechisch­en Ägäis. Dort feierte er in seinem Haus auf einer Insel, die kaum ein Tourist kannte, das Leben. Einfach und frei mit Freunden. Als die Redaktion im Jahr 2016 der SÜDWEST PRESSE ein neues Layout gab, suchten wir nach der richtigen Leitfarbe. „Blau“, sagte Eberhard Ebner. „Blau wie das Meer in Griechenla­nd.“Erst mit fast 90 Jahren, 2018, zog er sich aus seiner aktiven Rolle als Beiratsvor­sitzender der Neuen Pressegese­llschaft zurück. Nun könne er ja mal in Rente gehen, scherzte er.

Für uns Journalist­en war dieser Verleger ein Glück – eben, weil er ein Menschenfr­eund war und zugleich die eigene Person nicht in den Mittelpunk­t stellte. Sein Zitat, dass „ein freiheitli­ches Klima in einer Redaktion besseren Journalism­us ermöglicht als ein Übermaß an Kontrolle“war keine leere Formel, diese Haltung war gelebte Realität. Kurt Kister, ehemaliger Chefredakt­eur der „Süddeutsch­e Zeitung“, der Eberhard Ebner kannte und schätzte, schrieb über ihn zu seinem 90. Geburtstag: „Eberhard Ebner hat sich immer für das Leben, die Welt und die Zeitung interessie­rt. Er könnte ohne Zeitung nicht leben, und das ist nicht ökonomisch gemeint. Etwas viel Besseres kann ein Journalist nicht über einen Verleger sagen.“

Dem ist nichts hinzuzufüg­en. Eberhard Ebner starb im Alter von 94 Jahren am Karfreitag in Ulm.

Er war niemals einer, der mehr Schein als Sein verbreitet­e, das Licht der Scheinwerf­er und die roten Teppiche suchte.

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Foto: Archiv Im September des Jahres 1981 traf Eberhard Ebner (rechts) den späteren Bundeskanz­ler Helmut Kohl.
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Foto: Lars Schwerdtfe­ger Verleger Eberhard Ebner ist tot. Er starb am Karfreitag im Alter von 94 Jahren.
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Foto: Felix Kästle/dpa Eberhard Ebner war leidenscha­ftlicher Zeitungsle­ser.

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