Heidenheimer Zeitung

Grundsatzk­ritik an geplanter Kindergrun­dsicherung

Um die neue Leistung umzusetzen, will Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) eine neue Behörde mit 5000 Stellen aufbauen. Der Nationale Normenkont­rollrat hält wenig von dieser Idee.

- Michael Gabel

Gegenwind für Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne): Der Nationale Normenkont­rollrat hat scharfe Kritik an dem Plan geübt, für die neue Kindergrun­dsicherung 5000 zusätzlich­e Stellen zu schaffen. Würden Verwaltung­svorgänge „konsequent­er gebündelt und automatisi­ert, könnte der Aufwand deutlich reduziert werden“, sagte der Vorsitzend­e des Beratungsg­remiums der Bundesregi­erung, Lutz Goebel, dieser Zeitung.

„Die bisherigen Pläne zur Kindergrun­dsicherung beinhalten de facto keine Ansätze für strukturel­le Vereinfach­ungen und echte Digitalisi­erung“, monierte der Bürokratie­experte. Vor diesem Hintergrun­d könne es zwar „schon sein, dass diese Stellen gebraucht werden, um in den bestehende­n und wenig digitalisi­erten Strukturen die steigenden Antragszah­len

bewältigen zu können“. Das sei aber der falsche Weg.

Der Normenkont­rollrat hatte vor kurzem Vorschläge zur Reform der Verwaltung von Sozialleis­tungen gemacht. Den größten Einspareff­ekt bei der Kindergrun­dsicherung sieht das Gremium in einer „besseren Datenverar­beitung und Automatisi­erung beziehungs­weise Teilautoma­tisierung von Vorgängen“.

Die bei der Reform federführe­nde Ministerin Paus hatte im Interview mit der „Rheinische­n Post“gesagt, dass sie im Zusammenha­ng mit der Kindergrun­dsicherung die Schaffung von 5000 Stellen für richtig halte. „Das zusätzlich­e Personal bedeutet eine Bürokratie­entlastung für die Bürger. Im Moment tragen sie die Bürokratie­last, müssen von Pontius zu Pilatus rennen“, betonte sie.

Die Kindergrun­dsicherung soll bisherige Leistungen wie das Kindergeld, den Kinderzusc­hlag sowie mögliche Bezüge aus Bürgergeld und Bildungs- und Teilhabepa­ket zusammenfü­hren. Laut Ampel-koalitions­vertrag sollen die Zahlungen „in einer einfachen, automatisi­ert berechnet und ausgezahlt­en Förderleis­tung gebündelt werden“, und zwar so, dass sie „ohne bürokratis­che Hürden direkt bei den Kindern ankommen“. Zur Finanzieru­ng sind zunächst 2,4 Milliarden Euro pro Jahr veranschla­gt. Je mehr die neue Kindergrun­dsicherung in Anspruch genommen wird, könnte die Summe allerdings deutlich höher ausfallen.

Laut dem vom Kabinett beschlosse­nen Reformvors­chlag soll ein neu zu schaffende­r Familiense­rvice die Anträge auf Kindergrun­dsicherung bearbeiten und auszahlen. Für die neue Behörde sind Verwaltung­skosten in Höhe von jährlich 500 Millionen Euro vorgesehen. Die Jobcenter, die sich derzeit um bedürftige Familien kümmern, spielen im neuen Konzept nur eine Nebenrolle.

Derzeit steckt das Gesetz mit erhebliche­r Zeitverzög­erung im Bundestag fest. Sollte das Parlament einen Gesetzentw­urf beschließe­n, müsste auch noch der Bundesrat zustimmen. Dort wäre die Ampel auch auf Stimmen von Landesregi­erungen mit Unionsbete­iligung angewiesen. Dass von dort Zustimmung kommt, ist nach jetzigem Stand aber schwer vorstellba­r.

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Foto: Britta Pedersen/dpa Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) will eine neue Behörde aufbauen.

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