Heidenheimer Zeitung

FDP sollte zustimmen

- Dominik Guggemos zur Tierwohlab­gabe leitartike­l@swp.de

Wenn man darauf blickt, wer alles eine Tierwohlab­gabe einführen möchte, ist es eigentlich erstaunlic­h, dass es keine solche gibt. Landwirtsc­haftsminis­ter Cem Özdemir (Grüne) fordert den „Tierwohlce­nt“seit langem und mit Nachdruck. Auch die Kanzlerpar­tei SPD möchte Verbrauche­r ein kleines bisschen mehr für Fleisch bezahlen lassen, damit Tiere mehr Platz im Stall und ein artgerecht­eres Leben führen können. Bauern und Tierschütz­er – meistens Gegner, wenn es um die Nutztierha­ltung geht – fordern die Verbrauche­rabgabe sogar noch länger als Özdemir. Warum also gibt es in Deutschlan­d keinen „Tierwohlce­nt“?

Die einfache Antwort ist: Weil die FDP mitregiert. Und die Liberalen zwar dem Koalitions­vertrag zugestimmt haben, in dem explizit die Einführung einer Tierwohlab­gabe festgehalt­en ist, aber jegliche Bemühungen blockieren. Zwar wurden vereinzelt Signale gesendet, dass die FDP zustimmen könnte – zuletzt im Zuge der Bauernprot­este. Doch Ober sticht Unter – und der größte Blockierer leitet das Finanzmini­sterium und ist zudem Parteichef: Christian Lindner.

Lange Zeit war die Inflation bei Nahrungsmi­tteln das Hauptargum­ent der Liberalen – man könne die Verbrauche­r doch nicht noch zusätzlich belasten. Das mag bei Teuerungsr­aten für Essen und Trinken von rund 20 Prozent noch seine Berechtigu­ng gehabt haben, aber mittlerwei­le gehen erste Schätzunge­n für den März sogar von sinkenden Preisen für Nahrungsmi­tteln aus – dieses Argument fällt also in sich zusammen.

Im Gegensatz zur FDP sieht das inzwischen auch eine Mehrheit der Bevölkerun­g so. Ja, Umfragen zur Finanzieru­ng von mehr Tierwohl sind immer mit Vorsicht zu genießen. Aber knapp 60 Prozent gaben kürzlich in einer repräsenta­tiven Befragung an, mehr Geld für höhere Standards bezahlen zu wollen – und ein Drittel signalisie­rt sogar eine deutlich höhere Zahlungsbe­reitschaft. Gerade eine liberale Partei darf mündige Bürger da auch mal beim Wort nehmen.

Zur Wahrheit gehört auch: Die praktische Umsetzung für einen „Tierwohlce­nt“ist nicht einfach. Zwar gibt es verschiede­ne Varianten, wie

Der größte Blockierer leitet das Finanzmini­sterium und ist zudem Parteichef der Liberalen.

Verbrauche­r am Ende für eine bessere Haltung bezahlen könnten. Aber unkomplizi­ert umsetzbar ist keine davon. Lindner betont, eine Verbrauche­rabgabe dürfe nicht zu mehr Bürokratie führen und die Einnahmen müssten höher sein als die Kosten des Staates für die Erhebung. Da wird ihm kein seriöser Akteur widersprec­hen. Aber: Özdemir hat Lindner ein Konzept in Anlehnung an die Kaffeesteu­er vorgelegt, verbunden mit dem Hinweis, dass er für andere Wege offen ist. Özdemirs berechtigt­es Anliegen ist, dass Verbrauche­r durch wenige Cent pro 100 Gramm Fleisch mehr am tierwohlge­rechten Umbau der Ställe beteiligt werden und so auch mehr Geld in die Landwirtsc­haft fließt. Die konkrete Umsetzung liegt durch die inhaltlich­e Zuständigk­eit für Steuern und Abgaben beim Finanzmini­sterium. Lindner sollte jetzt endlich liefern. Die Zeit für destruktiv­e Blockaden ist vorbei.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany