FDP sollte zustimmen
Wenn man darauf blickt, wer alles eine Tierwohlabgabe einführen möchte, ist es eigentlich erstaunlich, dass es keine solche gibt. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) fordert den „Tierwohlcent“seit langem und mit Nachdruck. Auch die Kanzlerpartei SPD möchte Verbraucher ein kleines bisschen mehr für Fleisch bezahlen lassen, damit Tiere mehr Platz im Stall und ein artgerechteres Leben führen können. Bauern und Tierschützer – meistens Gegner, wenn es um die Nutztierhaltung geht – fordern die Verbraucherabgabe sogar noch länger als Özdemir. Warum also gibt es in Deutschland keinen „Tierwohlcent“?
Die einfache Antwort ist: Weil die FDP mitregiert. Und die Liberalen zwar dem Koalitionsvertrag zugestimmt haben, in dem explizit die Einführung einer Tierwohlabgabe festgehalten ist, aber jegliche Bemühungen blockieren. Zwar wurden vereinzelt Signale gesendet, dass die FDP zustimmen könnte – zuletzt im Zuge der Bauernproteste. Doch Ober sticht Unter – und der größte Blockierer leitet das Finanzministerium und ist zudem Parteichef: Christian Lindner.
Lange Zeit war die Inflation bei Nahrungsmitteln das Hauptargument der Liberalen – man könne die Verbraucher doch nicht noch zusätzlich belasten. Das mag bei Teuerungsraten für Essen und Trinken von rund 20 Prozent noch seine Berechtigung gehabt haben, aber mittlerweile gehen erste Schätzungen für den März sogar von sinkenden Preisen für Nahrungsmitteln aus – dieses Argument fällt also in sich zusammen.
Im Gegensatz zur FDP sieht das inzwischen auch eine Mehrheit der Bevölkerung so. Ja, Umfragen zur Finanzierung von mehr Tierwohl sind immer mit Vorsicht zu genießen. Aber knapp 60 Prozent gaben kürzlich in einer repräsentativen Befragung an, mehr Geld für höhere Standards bezahlen zu wollen – und ein Drittel signalisiert sogar eine deutlich höhere Zahlungsbereitschaft. Gerade eine liberale Partei darf mündige Bürger da auch mal beim Wort nehmen.
Zur Wahrheit gehört auch: Die praktische Umsetzung für einen „Tierwohlcent“ist nicht einfach. Zwar gibt es verschiedene Varianten, wie
Der größte Blockierer leitet das Finanzministerium und ist zudem Parteichef der Liberalen.
Verbraucher am Ende für eine bessere Haltung bezahlen könnten. Aber unkompliziert umsetzbar ist keine davon. Lindner betont, eine Verbraucherabgabe dürfe nicht zu mehr Bürokratie führen und die Einnahmen müssten höher sein als die Kosten des Staates für die Erhebung. Da wird ihm kein seriöser Akteur widersprechen. Aber: Özdemir hat Lindner ein Konzept in Anlehnung an die Kaffeesteuer vorgelegt, verbunden mit dem Hinweis, dass er für andere Wege offen ist. Özdemirs berechtigtes Anliegen ist, dass Verbraucher durch wenige Cent pro 100 Gramm Fleisch mehr am tierwohlgerechten Umbau der Ställe beteiligt werden und so auch mehr Geld in die Landwirtschaft fließt. Die konkrete Umsetzung liegt durch die inhaltliche Zuständigkeit für Steuern und Abgaben beim Finanzministerium. Lindner sollte jetzt endlich liefern. Die Zeit für destruktive Blockaden ist vorbei.