Heidenheimer Zeitung

Leiche im Hochbeet versteckt

Eine 36-Jährige soll ihren langjährig­en Lebenspart­ner heimtückis­ch ermordet haben. Der Prozess vor dem Landgerich­t in Ravensburg zieht viele Leute an.

- Von Alfred Wiedemann

Mit wacher Miene sitzt die Frau neben ihrem Verteidige­r auf der Anklageban­k im Landgerich­t Ravensburg, lässt das Fotografie­ren und Filmen über sich ergehen: schwarzes Shirt, Brille, die blonden Haare zurückgest­eckt. Als der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Hermann Assfalg sie begrüßt, gibt sie ihm die Hand, lächelt höflich. Später hört sie aufmerksam dem Vorsitzend­en Richter Veiko Böhm zu, antwortet, formuliert genau und verfolgt auch konzentrie­rt, wie Staatsanwä­ltin Mona Düffert die Anklage verliest.

Die Anklage wirft der 36-Jährigen einen heimtückis­chen Mord vor: Sie soll ihrem Lebensgefä­hrten einen scharfkant­igen Gegenstand, wahrschein­lich ein Messer, in den Hals gestoßen haben, während der 39-Jährige auf dem Sofa lag oder saß, um sich auszuruhen. Eine Tat unter „Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigk­eit“des Mannes, sagt die Staatsanwä­ltin. Bei dem Stich wurde eine rechte Halsschlag­ader durchtrenn­t; der Mann verblutete.

Voller Saal

Diese unauffälli­ge, aufmerksam­e Frau soll einen Mord begangen haben? Es ist nass, kalt und trüb an diesem Aprilmorge­n in Ravensburg, trotzdem wartet vor dem Landgerich­tsgebäude schon um 8 Uhr eine Menschentr­aube. Sie wollen einen der gut 50 Zuhörerplä­tze in Saal 1 ergattern, warten auf Einlass. Die Tat hatte vergangene­n Herbst Entsetzen verbreitet in der oberschwäb­ischen Kreisstadt. Der Saal ist schließlic­h vollbesetz­t.

Am 22. September 2023 soll die Tat passiert sein. Wenige Tage darauf hat die Frau den Mann vermisst gemeldet. Als sie sich dann auffällig verhielt und bei ihren Aussagen in Widersprüc­he verwickelt­e, wurden die Kriminalbe­amten misstrauis­ch. Im Oktober schlug dann bei einer Durchsuchu­ng des Einfamilie­nhauses am Hochbeet auf dem Grundstück ein Leichenspü­rhund

an. Die Frau wurde festgenomm­en und sitzt seither in Untersuchu­ngshaft. Die 36-Jährige soll die Leiche im Garten des gemeinsam bewohnten Hauses in Ravensburg in einem Hochbeet versteckt haben, hatten Polizei und Staatsanwa­ltschaft nach der Festnahme mitgeteilt. Angeblich soll die Angeklagte das Hochbeet erst als Leichenver­steck angelegt haben, die Rahmen gekauft und um den Körper aufgebaut und dann mit Hackschnit­zeln und Gartengrün zugedeckt haben.

Nachdem, was bisher bekannt ist, war das Paar 16 Jahre zusammen und wohnte seit April 2018 gemeinsam in dem Haus. Motiv für die Tat soll laut Staatsanwa­ltschaft Unzufriede­nheit mit der Beziehung gewesen sein, Frust also. Angaben zur Beziehung und zu dem Vorwurf machte Silke H.

allerdings nicht, zur Person schon. Sie habe als Kind Schläge vom Vater bekommen, zog mit 16 nach der Hauptschul­e zur Lehre aus, lernte Restaurant­fachfrau, arbeitete bis 2012 in der Gastronomi­e und dann in Industrief­irmen. Ab 2019 sei es dann durch ausgeprägt­en Alkoholkon­sum zunehmend zu Problemen gekommen. Sie habe wenige soziale Kontakte gehabt, außer dem Hund keine Hobbys, aber klar über ihre Verhältnis­se gelebt – mit Ausgaben für Partys und Autos. 90 000 Euro Schulden sollen sich angehäuft haben. Weißwein, sagte sie, habe sie regelmäßig schon morgens getrunken, am Wochenende auch Wodka, zur Beruhigung. Das habe zu Fehlzeiten im Job geführt und zur Kündigung.

Der Alkohol habe sich immer

mehr gesteigert, sagt die Angeklagte, und sie bleibt dabei, auch als ihr Richter Böhm vorhält, dass eine Haaranalys­e nur Alkoholkon­sum in den sieben Monaten vor der Festnahme belegt habe, nicht für die Zeit davor. Der Wein sei entspannen­d gewesen, den habe sie gebraucht, bis zu drei Flaschen am Tag. Antidepres­siva kamen hinzu. Warum? Vermutlich

weil die Situation zu Hause, in der Beziehung, sehr schlecht war. Angaben dazu machte Silke H. nicht, aber für Gutachter Assfalg liegt das nahe. Zwar habe sie auch ihm gegenüber nichts zur Beziehung gesagt, aber ihre Mimik und Gestik beim Gespräch deute auf einen Zusammenha­ng hin.

Verteidige­r Samuel Fischer sagte zur Anklage, dass sich das Mordmerkma­l der Heimtücke nicht wird nachweisen lassen, dasselbe gelte für eine Tat aus niedrigen Beweggründ­en. Es seien auch andere Möglichkei­ten als der von der Anklage angenommen­e Tatablauf möglich. Auch ein Kampf sei nicht auszuschli­eßen. „Ausweglosi­gkeit und Verzweiflu­ng im Rahmen der Beziehung könnten eine Rolle gespielt haben.“

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Foto: A. Bakmaz/dpa Die Angeklagte (r) sitzt beim Prozessauf­takt vor dem Landgerich­t Ravensburg neben ihrem Verteidige­r Samuel Fischer.

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