Fantastische Finnin
Helvi Leiviskä (1902–1982) war die erste bedeutende Komponistin Finnlands. Auf welch hohem künstlerischen Niveau ihre Werke, darunter drei Sinfonien und eine „Sinfonia brevis“, angesiedelt sind, kann man jetzt endlich auf dem bei Hänssler erschienenen Doppel-album nachvollziehen. Unter der Leitung des ebenfalls aus Finnland stammenden Dirigenten Ari Rasilainen spielen die Staatskapelle Weimar und Pianist Oliver Triendl ihr einziges, 1935 vollendetes Klavierkonzert in d-moll, op. 7, sowie ihre Sinfonie Nr. 1, op. 23, aus dem Jahr 1947.
Wie konnte sich Helvi Leiviskä als Komponistin in Finnland behaupten?
Ari Rasilainen: Von den zu dieser Zeit noch üblichen Zweifeln daran, ob Frauen überhaupt komponieren können, ließ sie sich nicht beeindrucken. Mit den drei Sinfonien und auch dem Klavierkonzert schuf sie Werke im spätromantischen Stil und in monumentaler Form und ebnete damit den Weg für nachfolgende finnische Komponistinnen wie beispielsweise Kaija Saariaho. All ihre Werke sind raffiniert strukturiert. Ihr Steckenpferd war der Kontrapunkt, mit dem sie sich von Anfang bis Ende ihres Schaffens beschäftigte.
Wo würden Sie Leiviskäs Klavierkonzert musikhistorisch verorten?
Ihre Stücke sind stark beeinflusst von Erkki Melartin, der ein richtiger musikalischer Vater für sie war und bei dem sie lange studierte. Auch durch ihre Arbeit in der Bibliothek und dem Notenarchiv der Sibelius-akademie in Helsinki erwarb sie große Repertoire-kenntnisse. Das Klavierkonzert selbst zeigt nicht nur durch die Länge viele sinfonische Merkmale und ist vielleicht von Rachmaninoffs drittem Klavierkonzert beeinflusst. Zudem sind die technischen Anforderungen an den Pianisten nicht weniger hoch als bei den bekannten Virtuosenkonzerten.
Was ist die Botschaft ihrer erstens Sinfonie?
Helvi Leiviskä war durch und durch musikalisch, es heißt, sie habe oft im Traum Noten gesehen und gehört und dann morgens schnell aufgeschrieben. So hat auch die erste Sinfonie kein explizites Programm – sie ist zu einhundert Prozent reine Musik. Auch in diesem Stück sind alle vier Sätze motivisch-thematisch äußerst ausgefeilt, wobei Einflüsse von Brahms erkennbar sind. Zu dieser Zeit hat niemand geglaubt, dass eine Frau solche Werke schreiben könnte.