Heidenheimer Zeitung

Drohende Überforder­ung

- Ellen Hasenkamp zu den aktuellen Gesellscha­ftsreforme­n der Ampel

Mehr Fortschrit­t wagen“hatte die Ampel vor zweieinhal­b Jahren über ihren Koalitions­vertrag geschriebe­n. Gemeint war damit vor allem auch die Gesellscha­ftspolitik – das Feld, auf dem die drei unterschie­dlichen Partner ihre größten Gemeinsamk­eiten sahen. Und nach 16 Jahren unionsgefü­hrter Regierung auch jede Menge Nachholbed­arf. Doch dann mussten SPD, Grüne und FDP eine Pandemie bekämpfen und mit einem Krieg in Europa sowie der folgenden Energie- und Wirtschaft­skrise fertigwerd­en – inklusive all jenen spektakulä­ren internen Konflikten.

Nun aber häufen sich plötzlich die gesellscha­ftspolitis­chen Reformakti­vitäten: Änderung des Namensrech­ts, Kampf gegen Gehsteigbe­lästigung, erleichter­te Änderung des Geschlecht­seintrags bei den Behörden. Und spätestens wenn das Kommission­sgutachten

zur Abtreibung nächste Woche offiziell vorgestell­t wird, dürfte die Debatte über eine Reform des Paragrafen 218 voll entbrennen.

Diese Häufung mag daran liegen, dass nach den Ausnahmezu­ständen endlich einmal Zeit dafür ist, sowie auch daran, dass es zugleich höchste Zeit ist: Die Ampel biegt in ihr letztes Jahr ein. Besonders geschickt gesteuert wurde das Ganze offenbar nicht: Statt die Bevölkerun­g in den heiklen Fragen, die einiges Streit- und Spaltpoten­zial haben, schonend und

Schritt für Schritt mitzunehme­n, droht nun Überforder­ung durch Überfracht­ung. Schon gehen sogar die ersten Koalitionä­re auf Distanz. Den Schaden hätten am Ende nicht nur die Betroffene­n und ihre Anliegen, sondern auch die Ampel selbst: Wenn sie nämlich nicht mal ihre vermeintli­chen Gewinnerth­emen in einen echten Erfolg verwandeln kann.

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