Neu an Tankstellen: XTL
An deutschen Zapfsäulen wird es enger. Neben den bekannten Spritsorten taucht bald erneuerbarer Diesel auf. Für welche Modelle eignet er sich?
An ersten deutschen Tankstellen werden Diesel-fahrer in Kürze einen erneuerbaren Diesel-kraftstoff tanken können. Den Weg dafür hatte der Bundesrat Ende März mit seiner Zustimmung zur Novelle des Bundes-immissionsschutzgesetzes frei gemacht. Der Hvo-sprit ist fast klimaneutral und setzt laut ADAC etwa 90 Prozent weniger CO2 als herkömmlicher Diesel frei. Nach Meinung vieler Experten haben HVO an der Tankstelle mittelfristig gute Chancen. Voraussichtlich ab Ende April dürfen damit sogenannte paraffinische Dieselkraftstoffe aus hydrierten Pflanzenölen in Reinform nicht mehr nur als Beimischung verkauft werden. Gekennzeichnet werden dir an Zapfsäulen mit XTL.
Vor allem in Skandinavien, in den Niederlanden, Belgien, Italien oder in Österreich sind Tankstellen, die paraffinischen Diesel anbieten, nach Angaben des ADAC schon weit verbreitet. In diesen Ländern stoße der Biokraftstoff auf breite Akzeptanz, konstatiert auch der nach eigenen Angaben weltweit führende Hersteller von nachhaltigen Kraftstoffen, das finnische Mineralölunternehmen Neste.
Auch Baden-württembergs Energiehändler hoffen auf eine schnelle Akzeptanz synthetischer Kraftstoffe, nicht nur an den Tankstellen, sondern auch als Ersatz
für Heizöl. Letzteres ist allerdings noch nicht erlaubt.
„Das Bio-produkt HVO ist vorhanden und kann vertrieben werden“, erklärt Henrik Schäfer, Geschäftsführer der Pforzheimer Südwestenergie. Auch der Wirtschaftsverband Fuels und Energie geht davon aus, dass der Markt auf Nachfrageveränderungen flexibel reagieren könne. Das Grundprodukt HVO sei in Deutschland im Rahmen der bestehenden Dieselnorm EN 590 überdies schon als Beimischung bis zu etwa 30 Prozent zugelassen.
Auch Gülle und Klärschlamm?
Der Automobilclub ADAC betont, die Grundstoffe für Tankstellensprit seien vielfältiger geworden. Längst ist es auch nicht mehr nur das viel genannte Frittenfett, das als Grundlage herangezogen werden kann. Infrage kommen – neben pflanzlichen Ölen – auch tierische Fette; geforscht werde zudem unter anderem an der Verarbeitung von Gülle oder Klärschlamm. In der Entwicklung befinden sich auch Verfahren, durch die Plastikabfälle in Treibstoff umgewandelt werden können. Neste untersucht, ob das Energiepotenzial von Co2-absorbierenden Algen genutzt werden kann. Bis zum Jahr 2040 werde die Produktion weltweit ein Öläquivalent von mehr als 1000 Megatonnen erreichen können, verspricht Neste: „Diese Menge würde ausreichen, um alle in der Luftfahrt und im Schiffsverkehr eingesetzten fossilen Kraftstoffe und einen großen Teil der fossilen Kraftstoffe auf der Straße zu ersetzen.“
Trotz solcher Ankündigungen werde in Deutschland auf absehbare Zeit die Verfügbarkeit ein Problem bleiben, befürchten Händler. Durch die formelle Erlaubnis allein werde es noch keine massiven Produktionssteigerungen geben, erwartet Schäfer. Um den Treibstoff überhaupt anbieten zu können, müssen die Tankstellenbetreiber erst einmal freie Tank-kapazitäten schaffen. Das bedeutet, sie müssten entweder in neue Tanks investieren, oder aber auf andere Spritsorten verzichten. Dazu werden sie vermutlich erst bereit sein, wenn sich eine hohe Nachfrage abzeichnet.
Shell inzwischen angekündigt, HVO schrittweise für Lkw an 12 Tankstellen an viel befahrenen Strecken in Deutschland anbieten. „Je nach Nachfrage werden die Tankstellen schneller oder langsamer HVO100 in ihr Angebot aufnehmen“, betont Adacsprecher Michael Gebhardt.
Überdies empfiehlt der ADAC, sich zuvor beim Autohersteller zu erkundigen, ob der Einsatz von HVO100 für den jeweiligen Motor unschädlich ist: Eine Umfrage zum Jahreswechsel 2023/2024 habe gezeigt, dass derzeit nur wenige Pkw-modelle für die Verwendung von XTL von der Automobilhersteller freigegeben sind. Diese Sorge werde allerdings bald überflüssig werden, glaubt Energiehändler Schäfer. Der neue Kraftstoff entspreche nahezu vollständig fossilem Diesel: „Wir erhoffen uns deshalb von der Industrie eine schnelle und möglichst unkomplizierte Freigabe“, sagt er. BMW hat laut ADAC bereits „alle Dieselmodelle, sogar ältere Bestandsfahrzeuge, für den Betrieb mit Kraftstoffen nach der EN 15940 Norm freigegeben.“Weitere Freigaben gibt es aktuell nur für wenige Modelle von Audi, Citroën/peugeot/opel, Nissan, Renault/dacia, Seat/cupra, Škoda, Toyota, Volvo und VW.