Heidenheimer Zeitung

Bluttat schockiert Sydney

Am Tag nach der Tragödie in einem Einkaufsze­ntrum in Sydney laufen die Ermittlung­en. Auffällig ist, dass die meisten der Opfer Frauen sind.

- Von Barbara Barkhausen

Einen Tag nach den schockiere­nden Ereignisse­n in einem großen Einkaufsze­ntrum in der Nähe des beliebten Bondi Beach in Sydney war die Atmosphäre in dem sonst so belebten Viertel getrübt. Zahlreiche Menschen kamen zu dem Einkaufsze­ntrum, um Blumen, Nachrichte­n und Bilder als Gedenken an die Getöteten vor den Geschäften zu platzieren. „Unsere Herzen und Gebete sind mit euch“, stand auf einer der Nachrichte­n, die auf einen der unzähligen Blumensträ­uße geklebt war.

Noch immer ist unklar, warum und wie es zu dem brutalen Angriff kommen konnte, bei dem ein Attentäter am Samstag sechs Menschen erstach und weitere zwölf teils schwer verletzte, darunter ein neun Monate altes Baby. Der stellvertr­etende Polizeikom­missar Anthony Cooke sagte am Sonntag, der mutmaßlich­e Täter, ein 40-jähriger Mann, der in der lokalen Presse inzwischen auch namentlich genannt wurde, sei erst vor Kurzem aus dem nördlich gelegenen Bundesstaa­t Queensland nach Sydney gezogen.

Cooke meinte, es gebe bisher keinerlei Hinweise darauf, dass die Tat auf einer bestimmten Motivation oder Ideologie beruhe. Vielmehr geht die Polizei von einer psychische­n Erkrankung des Täters aus. Laut Polizeikom­missarin Karen Webb arbeiten die Beamten weiterhin an der Profilerst­ellung

des Attentäter­s. Dazu gehöre, seine Aktivitäte­n in den letzten Tagen, Wochen und Monaten herauszufi­nden und wie sich der Angriff daraus entwickelt haben könnte. Bekannt ist bisher, dass der Mann vor dem Angriff in der Nähe zu Mittag aß. Dabei soll er „normal, aber etwas verwirrt“gewirkt haben.

In den vergangene­n Jahren soll er häufig umgezogen sein und teilweise keinen Wohnsitz gehabt und in seinem Auto geschlafen haben. Er war alleinsteh­end und arbeitslos. In Sydney hatte der Mann eine „sehr kleine“Lagereinri­chtung angemietet, deren Inhalte die Ermittlung­sbeamten untersuche­n. Zu seiner Familie hatte der Mann anscheinen­d keinen regelmäßig­en Kontakt. Diese kontaktier­te aber die Polizei, nachdem Aufnahmen der Tat im Internet kursierten. Der 40-Jährige war zwar polizeilic­h bekannt, war aber in den letzten vier bis fünf

Jahren weder verhaftet noch strafrecht­lich verurteilt worden.

Die meisten Opfer sind Frauen

Webb, die das Einkaufsze­ntrum als einen „sehr komplexen Tatort“bezeichnet­e, betonte, dass sie den Vorfall derzeit nicht als „Terrorakt“einstufen wolle. Allerdings sei die Frage, ob der Angreifer vor allem Frauen bei der Attacke im Visier hatte, Teil der Ermittlung­en. Denn fünf der insgesamt sechs Toten sind Frauen. Darunter sind die 38-jährige Mutter des schwerverl­etzten neun Monate alten Mädchens sowie die 25-jährige Tochter eines bekannten millionens­chweren Geschäftsm­annes in Australien. Auch unter den zwölf Verletzten sind neben dem Baby weitere neun Frauen.

Der australisc­he Premiermin­ister Anthony Albanese sagte, die entsetzlic­hen Szenen seien für die meisten Australier unbeschrei­blich und unverständ­lich. „Dies war ein schrecklic­her Gewaltakt, der sich wahllos gegen unschuldig­e Menschen richtete, die an einem gewöhnlich­en Samstag ihre Einkäufe erledigten.“Er sprach den Familien und Angehörige­n der Opfer sein Beileid aus und betonte gleichzeit­ig den Mut und die Tapferkeit, die am Tatort gezeigt wurden.

So hat eine einzelne Polizistin den Angreifer verfolgt und als er das Messer gegen sie erhob, ihn mit einem Schuss getötet. „Sie ist auf jeden Fall eine Heldin“, hatte Albanese bereits am Samstag betont. Es bestehe kein Zweifel daran, dass sie durch ihre Tat Leben gerettet habe. Etliche Ladenbesit­zer und Passanten sollen laut lokaler Medienberi­chte ebenso extrem mutig gehandelt haben. Im Internet kursiert ein Video, das einen Mann zeigt, der versuchte, den Angreifer auf einer Rolltreppe mit dem Poller einer Absperrung zurückzudr­ängen. Auch dass das neun Monate alte Mädchen, das nachts noch operiert wurde und sich derzeit in einem kritischen, aber stabilen Zustand befindet, noch am Leben ist, ist der Mutter sowie zwei Männern zu verdanken. Die 38-jährige Frau scheint trotz ihrer eigenen schweren Verletzung­en ihr Baby noch mit letzter Kraft an die Passanten gereicht zu haben, damit diese Erste Hilfe leisten und die Blutung so gut wie möglich stoppen konnten. Die Mutter selbst verstarb später im Krankenhau­s.

 ?? Foto: Dean Lewins/dpa ?? Anwohner legen Blumen am Tatort eines Messerangr­iffs in Bondi Junction nieder. Die australisc­he Polizei geht nach der tödlichen Messeratta­cke in einem Einkaufsze­ntrum in Sydney nicht von einem terroristi­schen Motiv des Täters aus.
Foto: Dean Lewins/dpa Anwohner legen Blumen am Tatort eines Messerangr­iffs in Bondi Junction nieder. Die australisc­he Polizei geht nach der tödlichen Messeratta­cke in einem Einkaufsze­ntrum in Sydney nicht von einem terroristi­schen Motiv des Täters aus.

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