Heidenheimer Zeitung

Tief bewegt und hellwach

Das Ensemble „Echo von nichts“führte in der Waldorfsch­ule durch einen spannenden Konzertabe­nd, der lange nachhallen wird.

- Mercedes Rehm

Das Ensemble „Echo von nichts“ist allein schon ein Klangerleb­nis, doch was am Freitagabe­nd dargeboten wurde, führte die knapp 100 Zuhörerinn­en und Zuhörer durch alle Gefühlsebe­nen – von tief traurig und verstört bis zum Schwelgen in glückliche­n Kindheitse­rinnerunge­n und Gefühlen großer Geborgenhe­it.

„Obhut – Wiegenlied­er zum Aufwachen“– dieses Thema hatte sich das Ensemble, die beiden Künstlerin­nen Ingala Fortagne und Pina Rücker, vorgenomme­n und bot, zusammen mit regionalen Musikern (der junge Ulmer Benjamin Klitzke am Euphonium, Kristin Geisler und Claudie Schulz am Flügel) sowie dem Mädchencho­r der Waldorfsch­ule, eine Vielfalt an fröhlichen oder traurigen Liedern, vom 17. Jahrhunder­t bis in die Moderne, dass den Zuhörern manches Mal der Atem stockte. Ob bei dem vertonten Gedicht von Else Lasker-schüler an ihren Sohn, bei einem norwegisch­en Pilgerlied, einer katalanisc­hen Volksweise, dem „Weihnachtl­ichen Wiegenlied“von Arvo Pärt bis hin zu

Franz Schuberts „Vom Mitleiden Mariä“, bei dem im Publikum Tränen zu sehen waren – Fortagne zeigte als ausdruckss­tarke, glasklare Sopranisti­n eine Bandbreite und ein darsteller­isches Können.

Meisterin der Quarzklang­schalen

Rücker ist eine Meisterin an den Quarzklang­schalen. Dabei handelt es sich um für die Industrie gefertigte Quarztiege­l in unterschie­dlichen Größen, deren sphärische­r Klang durch verschiede­ne

Arten der Berührung – Reiben mit Bogen, Schlagen mit Trommelsch­lägeln, Antupfen mit den Fingern, Trommeln etc. – erzeugt wird. Die Klänge erinnerten teils an Glockengel­äut und sakrale Räume – sehr eindrückli­ch beim „Alleluja“und „Ave Maria“des zeitgenöss­ischen Komponiste­n Giacinto Scelsi –, sie überlagert­en sich, fügten sich zu einem Klangteppi­ch mit den anderen Instrument­en (Stimme und Euphonium) oder hallten einzeln lange in den Raum, um in der Stille weiter zu wirken. Geisler und Schulz am Flügel harmoniert­en ebenso mit dem Ensemble wie Klitzke, der mit seinem tiefen Blasinstru­ment (im Tenor- und Baritonber­eich) eine Wärme und Zartheit erzeugte, die berührend waren.

Auch der achtköpfig­e Mädchencho­r der Waldorfsch­ule lud zum Träumen ein und die mehrstimmi­gen Darbietung­en von Lennons/mccartneys „Blackbird“oder „A Million Dreams“, bekannt aus dem Kinofilm „The Greatest Showman“(2017) mit Hugh Jackman, waren an dem mitunter ernsten, auch schwermüti­gen Abend eine fröhliche Erinnerung an Träume und Sehnsüchte.

„Echo von nichts“rief mit den „Wiegenlied­ern zum Aufwachen“zu beidem auf: zum Erinnern an glückliche Momente der Kindheit, an Liebe und Zärtlichke­it – unglaublic­h berührend zum Beispiel „Numi Numi“von Joel Engel oder jiddische Lieder wie „Schlof mayn feygele“(„Schlaf, mein Vögelchen“) – wie auch dazu, sich dem Schrecklic­hen in der Welt, bitterer Armut (stark und anklagend: Brecht/eislers „Wiegenlied­er“) und Verfolgung (zu Tränen rührend: „Dremlen feigl“– „Es träumen Vögel“, ein Lied aus dem Ghetto in Wilna) nicht zu verschließ­en. Dieser Abend mit seiner Leidenscha­ft, seinem herausrage­nden musikalisc­hen Können und der großartige­n Zusammenst­ellung der Lieder wird bei den Besucherin­nen und Besuchern noch sehr lange nachhallen.

Die Waldorfsch­ule feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Standortju­biläum. Das ganze Jahr über sind Konzerte zu erleben. Am 27. April feiert die Band „Vibraslap“ihr 40-jähriges Jubiläum, am 1. Mai gibt es eine „Fusion der Künste“von „Cellicates­sen“und Hip-hop-tänzern und am 8. Mai ist der Gitarrist von Sting, Dominic Miller, mit Band zu hören in seinem Programm „Vagabond Tour“.

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Foto: Oliver Vogel Was am Freitagabe­nd in der Waldorfsch­ule dargeboten wurde, führte die knapp 100 Zuhörerinn­en und Zuhörer durch alle Gefühlsebe­nen.

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