Streit über Flüchtlinge
Londons geplante Abschiebungen nach Afrika treiben viele Migranten nach Irland. Die Regierung in Dublin reagiert schnell.
Zwischen Irland und Großbritannien kommt es zu einem Asyl-streit. Sein Land, sagte der irische Premierminister Simon Harris am Sonntag, werde „in keinster Weise ein Schlupfloch für die Asyl-probleme von irgendjemand anderem zur Verfügung stellen“.
Die gewundene Ausdrucksweise zielt auf London. Harris spricht den Ruanda-plan der britischen Regierung an, irregulär eingereiste Flüchtlinge für die Abwicklung ihrer Asylanträge nach Ostafrika abzuschieben. Das soll dazu geführt haben, dass Asylsuchende, die es über den Ärmelkanal nach England geschafft haben, jetzt ihren Weg gen Irland fortsetzen aus Angst vor einer möglichen Abschiebung.
Der britische Premierminister Rishi Sunak hatte den diplomatischen Streit am Sonntag verschärft, als er in einem Interview darauf angesprochen wurde, dass viele Migranten von England nach Irland weiterreisen. Das bedeute doch, freute sich der Premier,
dass sein Ruanda-plan und die damit beabsichtigte Abschreckung von illegalen Immigranten funktioniere. Ein eilig für Montag geplantes Treffen zwischen der irischen Justizministerin Helen Mcentee und dem britischen Innenminister James Cleverley wurde von der britischen Seite überraschend abgesagt.
Gemeinsame Reisezone
Schätzungsweise mehr als 80 Prozent der Asylbewerber in Irland, hatte Mcentee vergangene Woche erklärt, seien von der britischen Provinz Nordirland aus ins Land gekommen. Die seit hundert Jahren existierende gemeinsame Reisezone ohne Personenkontrollen zwischen beiden Ländern erlaubt einen problemlosen Grenzverkehr, erleichtert aber auch den Zustrom von Asylbewerbern. Zwischen Mai 2022 und April 2023 kamen 140 000 Immigranten ins Land, so viele wie seit 16 Jahren nicht mehr. Wegen der steigenden Einwanderung haben sich in dem Land, in dem früher Migranten
traditionell willkommen geheißen wurden, gesellschaftliche Spannungen aufgebaut. Es kam zu gewalttätigen Straßenprotesten und auch zu Brandstiftungen in Flüchtlingsheimen.
Im März urteilte der oberste irische Gerichtshof, dass irregulär eingereiste Migranten nicht nach Großbritannien zurückgeführt werden dürfen, da das Königreich wegen seiner Ruandapolitik dem Un-flüchtlingskommissariat zufolge nicht als sicheres Drittland gelten könne. Daraufhin kündigte die irische Regierung ein Eilgesetz an. Es soll am Dienstag im Kabinett vorgestellt werden und die Rückführung wieder ermöglichen.
Freilich wehrt sich dagegen jetzt Großbritannien. Die „Times“zitierte am Montag eine „hohe Regierungsquelle“mit dem Statement: „Wir werden keine Asylrücksendungen von der EU über Irland akzeptieren, bis die EU akzeptiert, dass wir Asylbewerber nach Frankreich zurücksenden können.“