„Verheerende Wirkung“
Immer noch werden manche Eltern handgreiflich, um ihre Kinder zu bestrafen. Ebenso schädlich ist aber psychische Gewalt.
Die Zeiten, als der Lehrer im Klassenzimmer den Rohrstock schwingen durfte, sind zum Glück längst vorbei. Doch eine gewisse körperliche Züchtigung finden erstaunlich viele Eltern bis heute sinnvoll. Dabei ist längst belegt, dass Körperstrafen für die Erziehung nicht hilfreich sind und die Kinder im schlimmsten Fall für ihr Leben zeichnen. Darauf will der Tag für gewaltfreie Erziehung am Dienstag aufmerksam machen. Die Wissenschaft nimmt inzwischen noch einen weiteren Bereich in den Fokus: Emotionale Gewalt. Die Schwelle dafür kann im täglichen Erziehungstrubel oder im Sportverein relativ schnell überschritten werden.
Unter Männern ist die Zustimmung zu Körperstrafen deutlich höher als unter Frauen. Und: Wer als Kind selbst körperlich gezüchtigt wurde, macht das bei seinen Kindern oft ähnlich, wie eine Studie der Uniklinik Ulm ergeben hat (siehe Box). Die Ulmer Wissenschaftler sprechen von einem „Teufelskreis der Gewalt“.
„So eine Strafe führt eigentlich immer in einen Machtkampf, der wenig Lerneffekt und viel Widern- eine verheerende Wirkung haben, stand bei einem Kind hervorruft“, sagt Andresen. „Wenn man betont Tobias Hecker, Professor solche Sprüche über Jahre hört, für Klinische Psychologie und dann kann das massive Folgen haben, Gewaltforschung an der Uni Bielefeld. auch für die Bildungschancen eines Kindes.“
In vielen Fällen läuft Gewalt Anders als bei körperlicher Gegegenüber Kindern aber viel subtiler walt wissen Forschende bislang und ohne Handgreiflichkeiten noch relativ wenig über emotionale ab – etwa mit abfälligen Bemerkungen Gewalt in Familie oder Schule. oder demotivierendem Die Sporthochschule Köln und Feedback. „Das wird häufig die Uniklinik Ulm haben 2022 den gar nicht als Gewalt wahrgenommen“, Vereinssport unter die Lupe genommen. sagt Hecker. „Aber wenn 4300 Mitgliedern von man die Folgen anschaut, dann ist Sportvereinen wurden befragt, 63 das für die psychische Gesundheit Prozent gaben an, psychische Gewalt mindestens genauso schwerwiegend – vielleicht sogar schwerwiegender.“
Meist finde emotionale Gewalt durch fast beiläufige Sätze statt.
„Erwachsene verfügen über unendlich viele Möglichkeiten, ein
Kind in Angst und Schrecken zu versetzen, ohne es anzurühren“, sagt Sabine Andresen, Präsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes. „Das schaffst Du eh nicht!“, sei so ein Satz. Oder:
„Jetzt stell dich nicht so an!“
Gerade in einer Phase, in der
Kinder Selbstbewusstsein entwickeln sollen, könnten solche Sätdze
im Verein erfahren zu haben, die meisten mehrfach. Das sind Sätze wie „Du ziehst das ganze Team runter“oder abfällige Bemerkungen über das Gewicht.
„Oft fehlt es den Erwachsenen an Bewusstsein dafür, wie sehr solche Sätze die Kinder entwürdigen und demotivieren“, sagt Andresen. In einer internationalen Studie hätten die befragten Kinder gesagt, einmal eine Ohrfeige zu bekommen sei weniger schlimm als in einem Klima emotionaler Gewalt leben zu müssen.
Die Mahnung zu einer gewaltfreien Erziehung heiße aber nicht, dass man den Kindern alles durchgehen lassen müsse. „Kinder brauchen Orientierung. Es ist wichtig, ihnen Grenzen zu setzen und Regeln für das Miteinander zu vermitteln“, betont Hecker. „Wenn das Kind solche Regeln nicht einhält, dann darf das Konsequenzen haben.“
Und wer als Vater oder Mutter einmal aus der Haut fährt, habe deshalb nicht sofort versagt. „Jedes Elternteil wird irgendwann mal ein Kind anschreien“, sagt Hecker. Aber es sei wichtig, sich danach zu reflektieren.