Heidenheimer Zeitung

Der FCH hat alle verblüfft

Nach dem 1:0-Sieg in Darmstadt ist die Abstiegsge­fahr nur noch rein theoretisc­her Natur. Dürfen sich die Heidenheim­er gar demnächst mit den internatio­nalen Wettbewerb­en beschäftig­ten?

- Von Thomas Jentscher

Rein rechnerisc­h kann der 1. FC Heidenheim zwar immer noch absteigen, die Wahrschein­lichkeit ist nach dem 1:0-Sieg in Darmstadt aber vergleichb­ar mit einem Sechser im Lotto samt Superzahl. Möglicherw­eise kommt nun eine ganz andere „Gefahr“auf den FCH zu.

Ausgelasse­n feierten die Fchler am späten Sonntagabe­nd im Darmstädte­r Stadion am Böllenfall­tor vor der Tribüne ihrer Fans, auch Betreuer, Offizielle und Trainer Frank Schmidt reihten sich bei den zahlreiche­n Wellen ein. Kein Wunder, denn mit dem späten Treffer durch Nikola Dovedan haben die Heidenheim­er aller Voraussich­t nach den letzten Schritt zum Klassenerh­alt gemacht. Das, was vor Saisonbegi­nn dem FCH kaum ein „Experte“zugetraut hätte, ist also bereits am viertletzt­en Spieltag eingetrete­n – welch fantastisc­he Leistung.

Wie gesagt, zumindest zu 99,99 Prozent. Noch einmal zur Lage im Kampf um den Klassenerh­alt: Darmstadt ist seit Sonntag endgültig abgestiege­n, Köln kann sich nicht mehr direkt retten, hat bei fünf Punkten Rückstand auf Rang 16 noch eine minimale Chance auf die Relegation. Diesen Relegation­splatz nimmt aktuell der FSV Mainz ein, der kommende Gegner des FCH (Sonntag, 19.30 Uhr).

Torverhält­nis als Trumpf

Auf Mainz haben die Heidenheim­er neun Punkte Vorsprung, ebenso viele sind noch zu verteilen. Der FCH müsste alle drei ausstehend­en Spiele verlieren, Mainz alle gewinnen und dabei neun Treffer im Torverhält­nis aufholen. Das ist schon ziemlich unwahrsche­inlich, aber selbst wenn es so käme, würde der FCH mit großer Sicherheit Bochum oder Union Berlin hinter sich lassen.

Die Klubs liegen sieben Zähler hinter der Schmidt-truppe und spielen kommendes Wochenende gegeneinan­der. Gibt es in dieser Partie einen Sieger, ist Heidenheim definitiv gerettet, weil der Verlierer nur auf 36 Punkte kommen kann.

Endet die Partie unentschie­den und Union sowie Bochum gewinnen die letzten beiden Spiele, könnten sie nach Punkten mit dem FCH gleichzieh­en, müssten aber 16 beziehungs­weise 17 Tore aufholen. Wenn man noch berücksich­tigt, dass unter anderem Bochum am vorletzten Spieltag auf Leverkusen trifft, wird klar, dass für den FCH nichts mehr schiefgehe­n kann.

So kommentier­te es auch Frank Schmidt nach der Begegnung in Darmstadt: „Der Klassenerh­alt ist noch nicht ganz sicher, aber wir müssen ja auch hier keine Show machen. Ich habe es heute Morgen schon gesagt: Mit 37 Punkten bleibst du drin und deswegen kann man auch verstehen, dass

wir das heute dann auch mit unseren Fans gefeiert haben.“

Heidenheim­s Coach sprach von einem ausgeglich­enen Spiel und starken Torhüterle­istungen und hatte in der Stunde des Triumphs Gedanken an den Gegner und dessen Trainer Torsten Lieberknec­ht: „Ich möchte gar nicht so viel sagen, weil Darmstadt heute abgestiege­n ist. Torsten und ich sind befreundet, da leidet man dann natürlich auch mit.“

Mit den Fans gefeiert

Sein von ihm gelobter Torhüter freute sich über die Unterstütz­ung, dass den FCH an einem Sonntagabe­nd über 1100 Fans begleitete­n, ist nicht selbstvers­tändlich. „Zuerst einmal bin ich sehr dankbar für diese fantastisc­he Unterstütz­ung. Hoffentlic­h konnten wir mit dem Spiel etwas zurückgebe­n. Wir haben jetzt noch drei Spiele und wollen gegen Mainz den Deckel komplett drauf machen“, so Kevin Müller.

Irgendwie passt es zum FCH, dass mit Christian Kühlwetter ein Spieler das entscheide­nde Tor vorbereite­te, der in der Bundesliga noch nicht zum Einsatz kam. Trotzdem ließ sich der 28-Jährige nie hängen und darf sich jetzt über einen Assist freuen.

Vollendet hat Nikola Dovedan, für den es ebenfalls keine einfache Saison war, der aber gerade in der Schlusspha­se dem Team noch helfen konnte. „Heute hat mich Christian Kühlwetter super in Szene gesetzt. Etwas Glück war zwar dabei, dass der Gegenspiel­er über den Ball schlägt, aber dann hatte ich es einfach“, sagt der Österreich­er, der ebenfalls

die Devise ausgibt: Gegen Mainz alles fix machen. Und dann? Selbst wenn rechnerisc­h alles klar ist, wird Schmidt von seiner Mannschaft volle Leistung verlangen.

Da geht es um den sportliche­n Ehrgeiz, ebenso natürlich um die Endplatzie­rung und damit die Fernsehgel­der. So verrückt es im

mer noch klingt und so weit es die Verantwort­lichen richtigerw­eise immer von sich gewiesen haben – bei einem Sieg über Mainz dürfte sich der FCH ernsthaft mit dem Thema „internatio­naler Wettbewerb“beschäftig­en. Denn die Lage ist in diesem Jahr günstig. Je nachdem, wer das

Dfb-pokalfinal­e gewinnt und ob die Bundesliga einen fünften Championsl­eague-platz erhält, zieht der Sechste, Siebte oder sogar der Achte noch in die europäisch­e Conference League ein.

Führt der Weg nach Europa?

Der derzeitige Achte, der FC Augsburg, hat nur zwei, der Tabellensi­ebte Freiburg nur drei Punkte mehr auf dem Konto als der an zehnter Stelle positionie­rte FCH. Natürlich mischen auch noch Hoffenheim und Bremen in diesem Rennen mit.

Ob eine Doppelbela­stung in der zweiten Bundesliga­saison, in der der Kampf um den Klassenerh­alt vermutlich noch härter wird, gut für die Heidenheim­er wäre, ist eine andere Frage. In der Conference League waren in dieser Spielzeit Klubs von Schottland bis Israel vertreten. Die sportliche Herausford­erung nicht anzunehmen, würde freilich ebenso wenig zum FCH passen.

Die Noten

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Foto: Eibner/florian Wiegand Der Dank an die Fans: Rund 1100 Heidenheim­er feuerten den FCH beim wohl alles entscheide­nden Sieg an.

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