Heidenheimer Zeitung

Stadtrundg­ang mit Aalto und Oodi

Helsinki ist Zentrum des finnischen Designs und zählt zu den führenden Jugendstil-städten Europas. Außerdem ist die Metropole unterkelle­rt mit Bunkern.

- Geraldine Friedrich, dpa

Über 300 Inseln zählen zum Stadtgebie­t Helsinkis, die Länge der Küste wurde mit 131 Kilometern vermessen. Finnlands Hauptstadt am finnischen Meerbusen ist geprägt von der Ostsee. Der Metropolra­um zählt rund 1,5 Millionen Einwohner – damit ist Helsinki samt Umgebung auch das urbane Zentrum des Landes. Und das kulturelle. Ein Stadtrundg­ang in fünf Kapiteln, bei dem Freizeitsp­aß, Design und Rentierbra­ten nicht zu kurz kommen.

1. Zum Warmwerden in die Sauna

Sich zu Fuß treiben lassen – so nähert man sich Städten in der Regel gut, im Fall von Helsinki ist das nicht anders. Wer spätnachmi­ttags ankommt und in der Unterkunft eingecheck­t hat, kann für die erste typisch finnische Betätigung entlang des Esplanadi-parks marschiere­n: zum Allas Seapool. Das ist Freibad und Sauna in einem.

Das Besondere ist die Lage: In Sichtweite sind ein Riesenrad, ein von Alvar Aalto entworfene­s Bürogebäud­e und die Hafenprome­nade. Und: Das Bad liegt direkt an der Ostsee. So gibt es ein eingehegte­s Meerwasser­becken, im Winter knackig kalt. Nach einem Saunagang fühlt sich das Bad an, als würde die Haut mit 1000 Reißzwecke­n malträtier­t. Aber: Danach ist der Kreislauf in Schwung. Das Freibad ist stets auf 27 Grad geheizt. Auf dem Steg lassen sich die vorbei gleitenden Segelschif­fe beobachten oder die Fähren auf dem Weg zur Festungsin­sel Suomenlinn­a – beliebtes Ausflugszi­el und Unseco-welterbe.

Hinweis: In Finnland behält man in Saunen die Badekleidu­ng an, es sei denn, man sauniert im eigenen Mökki (= Ferienhaus) oder bei Freunden. Das Allas Seapool kostet 18 Euro Eintritt (ab 13 Jahren). Kinder von 3 bis 12 Jahren zahlen 10 Euro, freitags bis sonntags erhöhen sich die Preise um 4 Euro bzw. 3 Euro.

2. Bibliothek­s- und Museumsbes­uche

Direkt neben dem Bahnhof liegt das Oodi, die 2018 eröffnete zentrale Bibliothek Helsinkis. Mit ihren geschwunge­nen Fassaden ist sie nicht nur architekto­nisch ein Hingucker, sondern auch Treffpunkt der Städter. Die Touristend­ichte ist entspreche­nd gering. Es wird geschmöker­t, man wartet auf den Zug. Es gibt eine öffentlich­e Küche, ein Kino. Auf dem Balkon vor der oberen Glasfassad­e genießt man Kaffee mit Ausblick. Eine Besonderhe­it sind die gratis verfügbare­n Nähmaschin­en, die gut genutzt werden. Und ein Zocker-zimmer mit Spielekons­olen.

Ums Eck liegen das Museum für zeitgenöss­ische Kunst und die Nationalga­lerie Kiasma sowie die unterirdis­chen Ausstellun­gsräume des Amos Rex, benannt nach dem Kunstmäzen Amos Anderson, größte Privatsamm­lung des Landes und wahrer Besucherma­gnet. Sie befindet sich unterhalb des Lasipalats­i, ein funktional­istisches Bürogebäud­e aus den 1930er-jahren. Das Amos Rex eröffnet nach Umbauten am 27. März wieder. Allein lohnend ist der futuristis­che Innenhof: Durch Bullaugen kann man dort in die unterirdis­chen Räume blicken.

„Design-district“nennt sich ein Zusammensc­hluss von Geschäften, Galerien, Restaurant­s und Museen in der Innenstadt. Schlendern und Schauen lohnt hier besonders. Als eine Art thematisch­er Mittelpunk­t darf das Designmuse­um gelten (Eintritt regulär 20 Euro, unter 18 Jahren frei).

3. Von Historismu­s bis Modernismu­s

Überhaupt kommen Architektu­r-fans in Helsinki auf ihre Kosten: Bauhaus, Historismu­s, Klassizism­us, byzantinis­ch-orthodox – es gibt fast kein Stil, der nicht vertreten wäre. Auffallend sind die zahlreiche­n Jugendstil-gebäude mit teils ornamental­en Fassaden im Stadtteil Punavuori, auch der Hauptbahnh­of ist in prächtigem Jugendstil gestaltet.

Und dann wäre da noch Alvar Aalto, Finnlands wohl bekanntest­er Architekt. Vor allem um die Mitte des 20. Jahrhunder­ts baute der frühe Vertreter des Modernismu­s in Helsinki Geschäftsh­äuser, Bürokomple­xe, Wohngebiet­e. Spezielle Aalto-touren werden angeboten, die auch zum ehemaligen Wohnhaus und Architektu­rbüro Aaltos führen. Übrigens: Auch der Berliner Architekt Carl Ludwig Engel entwarf Gebäude in Finnland und Helsinki, etwa die Finnische Nationalbi­bliothek und die Domkirche.

4. Unterirdis­ch planschen

Sie liegt außerhalb des Zentrums, ist aber umso skurriler: die Itäkeskus Schwimmhal­le. Ihre Geschichte hat einen ernsten Hintergrun­d. Denn sie befindet sich unterirdis­ch in einem ehemaligen Bunker, der in den Felsen gehauen wurde, ein Überbleibs­el aus der Zeit des Kalten Kriegs. Noch immer ist Helsinki großflächi­g mit Bunkern unterkelle­rt, sodass die gesamte Bevölkerun­g im Ernstfall Platz fände. Im Bunker-schwimmbad ziehen Besucher in einem 50-Meter-becken ihre Bahnen. Sogar einen Sprungturm gibt es. Und natürlich Saunen. Erwachsene zahlen für zwei Stunden 5,80 Euro Eintritt, Kinder 3,20 Euro.

5. Die finnische Küche

Wem nach dem Schwimmen der Magen knurrt, kann in Nachbarsch­aft zur Schwimmhal­le stilecht einkaufen oder essen gehen – in der Markthalle. Die Hakaniemen Kauppahall­i, eine der authentisc­hsten ihrer Art in Finnland, liegt nicht weit entfernt an der Metrostati­on Hakaniemi. Entweder man deckt sich dort ein oder speist im zweiten Stock im stilvollen Restaurant „Kirsikka“.

Im zentralen Stadtteil Kamppi serviert das „Finnjävel Sali“unter anderem Dorsch, Elch und Rentier, traditione­lle Zutaten der finnischen Küche, modern interpreti­ert. Adresse für Freunde des Brunchs ist das „The Glass“. Wenn es fix gehen soll: Statt Mcdonald‘s, Burger King und Co. gehen die Finnen lieber zu Hesburger, eine finnische Schnellres­taurantket­te, vertreten natürlich auch in der Hauptstadt.

Im Ernstfall fände die gesamte Bevölkerun­g Platz in den Bunkern.

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Werke von Carl Ludwig Engel: Die Domkirche – davor der Senatsplat­z – und die hinten zu sehende Nationalbi­bliothek stammen von dem deutschen Architekte­n.
Modern ist noch untertrieb­en: Eindruck aus dem Kunstmuseu­m Kiasma. Werke von Carl Ludwig Engel: Die Domkirche – davor der Senatsplat­z – und die hinten zu sehende Nationalbi­bliothek stammen von dem deutschen Architekte­n.
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Eine Bibliothek mit erweiterte­m Freizeitan­gebot: das Oodi von außen.
Fotos: Geraldine Friedrich/dpa Eines der vielen Jugendstil-gebäude: der Hauptbahnh­of in Helsinki. Eine Bibliothek mit erweiterte­m Freizeitan­gebot: das Oodi von außen.

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