„KI als Werkzeug verstehen“
In Zukunft wird in vielen Unternehmen nahezu jeder Job mit KI verwoben sein. Damit sind nicht nur große kommerzielle und technische Chancen verbunden, sondern auch Ängste vor dem Verlust von Berufsbildern.
Dass Künstliche Intelligenz (KI) unsere gesamte Gesellschaft und das Arbeitsleben tiefgreifend verändern werden, darüber besteht inzwischen kein Zweifel mehr. Aber ob diese Entwicklung zum Guten der Menschheit voranschreiten wird, oder ob nicht auch gravierende Herausforderungen für das Leben auf diesem Planeten entstehen – darüber scheiden sich noch die Geister.
Die Zukunft jedenfalls hat bei Trumpf schon längst begonnen. Der Konzern mit Hauptsitz in Ditzingen beschäftigt weltweit mehr als 18 000 Menschen, die einen Umsatz von mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaften und bietet Fertigungslösungen in den Bereichen Werkzeugmaschinen und Lasertechnik. Trumpf setzt KI etwa ein, um die eigenen Prozesse effizienter zu machen.
Ein Beispiel ist das Pilotprojekt zu einem Ki-basierten Sprachmodell für den technischen Service, das ähnlich funktioniert wie CHATGPT. „Kommt es zu einer Maschinenstörung, kann der Servicetechniker die KI befragen, wie das Problem zu lösen ist“, lässt das Unternehmen verlauten. „Dafür gibt er sämtliche Details zur Störung, beispielsweise die Fehlermeldung, in die Benutzeroberfläche der Software ein. Innerhalb weniger Sekunden erhält er mögliche Lösungsvorschläge.“Da die Software anhand der Serviceberichte kontinuierlich dazulerne, verbessere sich auch die Qualität der Antworten stetig: „Das entlastet die Servicemitarbeiter, und Maschinenstörungen lassen sich schneller beheben.“
Berthold Schmidt, Chief Technology Officer bei Trumpf, kündigt an: „Wir wollen in fünf Jahren der führende Anwender und der führende Anbieter von Kilösungen in unserer Branche sein. Es dürfte dann keinen Job mehr bei Trumpf geben, der nicht irgendeinen Berührungspunkt zu KI hat.“Das Unternehmen will seine Aktivitäten künftig mit einem neuen Kompetenzzentrum stärken und koordinieren. Ziel ist es, die internen Abläufe mithilfe von KI effizienter zu machen. Das Unternehmen sieht beispielsweise in der Software-entwicklung oder in administrativen Bereichen Potenziale zur Produktivitätssteigerung. Trumpf will zudem für seine Kunden aus den Bereichen Werkzeugmaschinen, Lasertechnik und Elektronik verstärkt Kiinnovationen auf den Markt bringen.
Große Erwartungen
Stephan Mayer, CEO Werkzeugmaschinen, ergänzt: „Digitalisierung und KI gehen Hand in Hand.“Für Kunden bedeute das „Produktivitäts- und Effizienzgewinne entlang der gesamten Prozesskette Blech“.
Dem Informationsportal industriewegweiser.de zufolge kann KI wertvolle Dienste in Bereichen wie Qualitätskontrolle, Wartung von Maschinen oder Prozessoptimierung leisten. Entsprechende Anwendungen könnten auch dazu beitragen, den Bedarf und die Nachfrage von Produkten zu prognostizieren.
Den Servicebereich verbessern möchte die Landesbank Baden-württemberg (LBBW) nach eigenen Angaben mit einer neu geschaffenen Ki-lösung für ihre Beschäftigten. Die Anwendung blue.gpt ermögliche es, „Produkte und Dienstleistungen sowie die Ansprache von Kundinnen und Kunden noch individueller zu gestalten“, teilt die Bank mit. Unter anderem verspreche man sich einen „Beitrag zur Vertiefung der Kundenbeziehungen“. blue.gpt basiert den Angaben zufolge auf der Chatgpt-technologie von Openai, „die durch Lbbw-spezifische Sicherheitsstandards ergänzt wurde“.
Künftig sollen diese und andere Ki-anwendungen bei der LBBW „für das interne Wissensmanagement, im Vertrieb und im Risikomanagement eingesetzt werden“, heißt es. Die Nutzung von blue.gpt folge strengen regulatorischen und rechtlichen Vorgaben. So müssen beispielsweise Datenschutzanforderungen und die Absicherung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen strikt gewahrt sein.
„Natürlich gibt es Widerstände wegen der Befürchtung, dass Arbeitskräfte durch Künstliche Intelligenz überflüssig gemacht werden“, kommentiert Matthias Peissner die Situation. Der Leiter des Forschungsbereichs Mensch-technik-interaktion am Fraunhofer-institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO möchte das überwinden: „2019 haben wir das Ki-fortschrittszentrum gegründet, um Unternehmen Möglichkeiten aufzuzeigen. Viele haben Angst, dass Kompetenzen entwertet oder Arbeitnehmerrechte untergraben werden.“Die größten Ängste seien bei denen vorhanden, die sich mit dem Thema KI noch nicht beschäftigt hätten. „Man muss die Kitools als Werkzeug verstehen“, betont der Forscher. Er ist sich sicher, dass der technologische Fortschritt viel schneller Realität wird als man zurzeit vermutet: „Die meisten kognitiven Aufgaben werden von KI übernommen werden können, und es ist auch nicht möglich, diese Entwicklung aufzuhalten.“
Der Experte weist darauf hin, dass hinter „dieser Intelligenz enorme Macht sowie ungeheures kommerzielles Potenzial“stecken: „Es ist nicht mehr sinnvoll, in den Kategorien der heutigen Berufsbilder zu denken, denn sie werden sich verändern. Wir müssen schauen, was in den Arbeitsprozessen machbar ist, aber wir müssen auch schauen, was sinnvoll ist.“Etwa im Bereich Kultur: Möchte das Publikum wirklich Musik hören, die von
Maschinen komponiert und aufgeführt wird? Und haben Menschen in vielen Bereichen nicht den Wunsch, auch Menschen begegnen zu wollen?
Peissners Prognose: „Wir werden auch weiterhin Arbeit haben, auch geistige Arbeit, als Koordinatoren von bestimmten Bereichen oder auch im Kundenkontakt, obwohl hier auch KI zum Einsatz kommen könnte. So wie wir schwere körperliche Arbeit in der Vergangenheit mehr und mehr an Maschinen delegieren konnten, wird das in Zukunft auch mit kognitiven Aktivitäten möglich sein. Aber die Bereiche werden sich verringern. Viele Berufsbilder, die wir heute kennen, werden dann nicht mehr existieren.“
Assistent befähigt zu Höherem
Die Chancen seien beträchtlich: So könnte Inklusion gestärkt werden, da Menschen mit Behinderungen zu mehr verantwortungsvollen Tätigkeiten befähigt würden. Ebenso könnte der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte mittels entsprechender Übersetzungstools erleichtert werden. Assistenzsysteme etwa mit Brillen, in deren Gläser Arbeitsvorgänge eingeblendet werden, ermöglichten Menschen mit einem nicht so hohen Bildungsniveau möglicherweise die Übernahme von Aufgaben, die sie sonst nicht hätten erledigen können.
Die International Data Group jedenfalls geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass in diesem Jahr weltweit mehr als 550 Milliarden Dollar im Ki-business umgesetzt werden. Nach einer Prognose der indischen Marktforschung Next Move Strategy Consulting könnte das Marktvolumen bis 2030 mindestens 1,8 Billionen Dollar erreichen. Bereits 2023 soll das Wertschöpfungspotential allein in Deutschland laut Google sowie Institut der Deutschen Wirtschaft 330 Milliarden Euro betragen haben.
Natürlich gibt es Widerstände wegen der Befürchtung, dass Arbeitskräfte überflüssig gemacht werden. Matthias Peissner Forschungsbereichs-leiter IAO