Historisches Tief und ein Trostpflaster aus Mainz
Schockumfrage in Berlin und Dreyers Wiederwahl in Mainz – Für die SPD kommt alles an einem Tag
- Am frühen Morgen um 7.04 Uhr kommt die Schock-Meldung für die SPD: Forsa sieht die Partei bei unter 20 Prozent. Mittags um 12.33 Uhr dann die frohe Botschaft: Malu Dreyer, die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz , ist gerade im ersten Wahlgang wiedergewählt worden. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel meint kurz darauf, das zeige doch, dass man den Mut und den Optimismus nicht verlieren dürfe. Noch wenige Wochen vor der Wahl in Mainz hatte Malu Dreyer in Umfragen zehn Prozent hinter ihrer CDU-Herausfordererin Julia Klöckner gelegen, um dann am Wahltag mit 36,2 Prozent in Führung zu gehen, während Klöckners CDU auf den historischen Tiefstand von 31.8 Prozent absackte.
Trotzdem müssen die Zahlen von Forsa die SPD beunruhigen. Nur 14 Prozent aller Befragten gaben an, dass die SPD ihre persönlichen Interessen am besten vertritt, während das 32 Prozent von der Union behaupten. Die gute Nachricht für die Genossen: Knapp zwei Drittel aller Wahlberechtigen (63 Prozent) glauben an eine politische Zukunft der SPD und würden es bedauern, wenn es die SPD nicht mehr gäbe.
Der SPD scheinen also die richtigen Themen zu fehlen. Doch hat sie nicht gerade in der großen Koalition mit der Rente mit 63 und der Durchsetzung des Mindestlohnes ursozialdemokratischen Forderungen zum Erfolg verholfen? Forsa-Chef Manfred Güllner meint, Rente und Mindestlohn hielten zwar eine Mehrheit prinzipiell für richtig, doch wirklich wichtig sei das nur für Minderheiten. Die arbeitende Klasse fühle sich nicht mehr von der SPD vertreten.
„Die SPD hat nie mit Umverteilungsthemen die Wahlen gewonnen, sondern immer mit den Blick nach vorne, mit dem Versprechen für ein modernes Deutschland“, sagt Güllner der „Schwäbischen Zeitung“. Er erinnert an Willy Brandts Ostpolitik, an Schröders Innovationsversprechen.
SPD-Vize Thorsten SchäferGümbel rät aber seiner Partei, das Thema Gerechtigkeit stärker zu intonieren. Zum Beispiel das Thema Steuergerechtigkeit. Wie könne es sein, dass der normale Arbeiter höher belastet werde als internationale Unternehmen? Auch Parteichef Sigmar Gabriel hatte in einem Interview angeprangert, dass es „Wahnsinn“sei, wenn sich Unternehmensvorstände wie die von VW mitten in der größten Krise millionenschwere Boni genehmigen und zugleich die Entlassung von Tausenden Leiharbeiternehmern vorschlagen. Die Wut der Menschen sei riesengroß und die SPD müsse „der Wut eine Stimme geben“. Gabriel spricht aber auch davon , dass die SPD wieder ohne Wenn und Aber zeigen müsse, dass sie Schutzmacht der normalen Arbeitnehmer ist. Früher nannte man sie SPD die Schutzmacht der kleinen Leute. Kleine Leute soll es nicht mehr geben, ihre Probleme schon.
Von der Kanzlerin getrieben
Ein kleiner Trost kann es für die SPD sein, dass auch die Union kräftig Federn gelassen hat, sie liegt jetzt bei 34 Prozent. Die SPD trifft es aber ungleich härter. „Wir stehen mächtig unter Druck“, sagt SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. Schwierig für seine Partei sei, dass man in Berlin nur Juniorpartner sei und mitunter von der Kanzlerin getrieben werde.
Doch die SPD ist gerade dabei, sich hier zu emanzipieren. Beim Thema Glyphosat etwa. Hier stellt sich die SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks spät, aber sehr klar gegen die Zulassung von Glyphosat. Der Kurswechsel freue ihn, sagt Harald Ebner, Obmann der Grünen im Agrarausschuss – „auch wenn viel Kalkül dabei sein mag, sich gegenüber der übermächtigen Kanzlerinnenpartei zu profilieren“.