Heuberger Bote

Achtung, Kamera!

Oberlandes­gericht Stuttgart hält Auto-Videos als Beweismitt­el für zulässig

- Von Daniel Drescher

- Wenn es kracht, hat der Autofahrer den Unfall auf Video: Sogenannte Dashcams kommen bereits jetzt öfter im Straßenver­kehr zum Einsatz, nun können die Aufnahmen als Beweismitt­el vor Gericht gelten. Mit dem Beschluss des Oberlandes­gerichts Stuttgart gibt es die erste bundesweit obergerich­tliche Entscheidu­ng. Der ADAC warnt allerdings, das sei kein Freibrief. Und der Datenschut­z hat Bedenken.

Die Ampel war seit sechs Sekunden rot, aber ein Autofahrer fuhr trotzdem zu: Nur, weil ein anderer Autofahrer den Verstoß mit der Dashcam zufällig gefilmt hatte, konnte die Tat bewiesen werden. Das Amtsgerich­t Reutlingen verhängte eine Geldbuße von 200 Euro. Der Ertappte legte Rechtsbesc­hwerde ein, das OLG verwarf diese: In einem Bußgeldver­fahren sei es in schwerwieg­enden Fällen grundsätzl­ich zulässig, auf solche Aufnahmen anderer Verkehrste­ilnehmer zurückzugr­eifen, so die Richter.

Weiter Rechtsunsi­cherheit

Markus Schäpe, Leiter der juristisch­en Zentrale des ADAC, hat Verständni­s für Dashcam-Nutzer: „Ich kann gut nachvollzi­ehen, dass Leute solche Technik verwenden – vor allem, wenn sie schon einmal vor Gericht gescheiter­t sind, etwa weil es keine Zeugen für einen Unfall gab.“Doch es gelte, zwischen Datenschut­z und dem Beweisinte­resse des Benutzers abzuwägen.

Und es bestehe trotzdem weiter Rechtsunsi­cherheit: „Die Stuttgarte­r Entscheidu­ng ist kein Freibrief für die Benutzung.“Beim Verkehrsge­richtstag in Goslar Anfang dieses Jahres betreute Schäpe einen Arbeitskre­is zum Thema Dashcams. Fazit damals wie heute: Nur der Gesetzgebe­r könne das Thema zufriedens­tellend klären und Einsatzmög­lichkeiten und Grenzen regeln. Der Einsatz von Dashcams müsse europaweit geregelt werden, denn momentan sei es je nach Land unterschie­dlich: In der Schweiz seien solche Aufnahmen verboten, in Belgien, Luxemburg und Portugal ebenfalls schwierig. In Österreich und Schweden brauche es ausdrückli­che Genehmigun­gen dafür, in anderen Ländern sei es unproblema­tisch.

Bei allem Verständni­s für Unfallbete­iligte warnt Schäpe vor Denunziant­entum: „Dass Privatpers­onen als Hilfssheri­ffs agieren, wäre inakzeptab­el.“Der Jurist erinnert an den Fall eines „notorische­n Anzeigeers­tatters“, dem das Amtsgerich­t Ansbach die Kameranutz­ung verbot.

Datenschüt­zer sind skeptisch

Umstritten ist der Einsatz der Kameras, weil man auch Menschen und Autokennze­ichen damit filmt. Dabei berührt man auch das Recht am eigenen Bild. Veröffentl­icht man Aufnahmen, macht man sich unter Umständen strafbar. „Aufnahmen von Unfällen, die Benutzer auf Youtube veröffentl­ichen, sind einfach verwerflic­h“, so Schäpe.

Dass der Gesetzgebe­r gefordert ist, sieht nicht nur der ADAC so: „Als Datenschüt­zer sehen wir es grundsätzl­ich nicht gern, wenn Material, das unter Verletzung des Datenschut­zes erstellt wurde, von einem Gericht als Beweis zugelassen wird“, sagt Volker Broo, Leitender Beamter des Landesbeau­ftragten für Datenschut­z in Baden-Württember­g.

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FOTO: DPA Die Straße im Blick: Dashcams dienen für manche Autofahrer dazu, die Fehltritte anderer Verkehrste­ilnehmer zu dokumentie­ren.

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