Achtung, Kamera!
Oberlandesgericht Stuttgart hält Auto-Videos als Beweismittel für zulässig
- Wenn es kracht, hat der Autofahrer den Unfall auf Video: Sogenannte Dashcams kommen bereits jetzt öfter im Straßenverkehr zum Einsatz, nun können die Aufnahmen als Beweismittel vor Gericht gelten. Mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart gibt es die erste bundesweit obergerichtliche Entscheidung. Der ADAC warnt allerdings, das sei kein Freibrief. Und der Datenschutz hat Bedenken.
Die Ampel war seit sechs Sekunden rot, aber ein Autofahrer fuhr trotzdem zu: Nur, weil ein anderer Autofahrer den Verstoß mit der Dashcam zufällig gefilmt hatte, konnte die Tat bewiesen werden. Das Amtsgericht Reutlingen verhängte eine Geldbuße von 200 Euro. Der Ertappte legte Rechtsbeschwerde ein, das OLG verwarf diese: In einem Bußgeldverfahren sei es in schwerwiegenden Fällen grundsätzlich zulässig, auf solche Aufnahmen anderer Verkehrsteilnehmer zurückzugreifen, so die Richter.
Weiter Rechtsunsicherheit
Markus Schäpe, Leiter der juristischen Zentrale des ADAC, hat Verständnis für Dashcam-Nutzer: „Ich kann gut nachvollziehen, dass Leute solche Technik verwenden – vor allem, wenn sie schon einmal vor Gericht gescheitert sind, etwa weil es keine Zeugen für einen Unfall gab.“Doch es gelte, zwischen Datenschutz und dem Beweisinteresse des Benutzers abzuwägen.
Und es bestehe trotzdem weiter Rechtsunsicherheit: „Die Stuttgarter Entscheidung ist kein Freibrief für die Benutzung.“Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar Anfang dieses Jahres betreute Schäpe einen Arbeitskreis zum Thema Dashcams. Fazit damals wie heute: Nur der Gesetzgeber könne das Thema zufriedenstellend klären und Einsatzmöglichkeiten und Grenzen regeln. Der Einsatz von Dashcams müsse europaweit geregelt werden, denn momentan sei es je nach Land unterschiedlich: In der Schweiz seien solche Aufnahmen verboten, in Belgien, Luxemburg und Portugal ebenfalls schwierig. In Österreich und Schweden brauche es ausdrückliche Genehmigungen dafür, in anderen Ländern sei es unproblematisch.
Bei allem Verständnis für Unfallbeteiligte warnt Schäpe vor Denunziantentum: „Dass Privatpersonen als Hilfssheriffs agieren, wäre inakzeptabel.“Der Jurist erinnert an den Fall eines „notorischen Anzeigeerstatters“, dem das Amtsgericht Ansbach die Kameranutzung verbot.
Datenschützer sind skeptisch
Umstritten ist der Einsatz der Kameras, weil man auch Menschen und Autokennzeichen damit filmt. Dabei berührt man auch das Recht am eigenen Bild. Veröffentlicht man Aufnahmen, macht man sich unter Umständen strafbar. „Aufnahmen von Unfällen, die Benutzer auf Youtube veröffentlichen, sind einfach verwerflich“, so Schäpe.
Dass der Gesetzgeber gefordert ist, sieht nicht nur der ADAC so: „Als Datenschützer sehen wir es grundsätzlich nicht gern, wenn Material, das unter Verletzung des Datenschutzes erstellt wurde, von einem Gericht als Beweis zugelassen wird“, sagt Volker Broo, Leitender Beamter des Landesbeauftragten für Datenschutz in Baden-Württemberg.