„Es sieht absurd aus von da oben, dass Menschen sich bekriegen“
Alexander Gerst über seinen ersten Kommandoeinsatz im Weltall – und wie sich der Blick auf die Erde verändert
(dpa) - Ein Deutscher als Kommandant im Weltraum – das hat es bisher noch nicht gegeben. Doch jetzt steht fest: Alexander Gerst wird 2018 Kapitän der Internationalen Raumstation ISS. Im Interview mit Christoph Driessen spricht er über seine neue Mission und darüber, was Außerirdische von Erdbewohnern halten würden.
Wie lange wissen Sie denn schon, dass Sie 2018 wieder ins All fliegen?
Sicher ist meine Nominierung erst jetzt. Aber ich habe bereits im Februar eine Vorwarnung bekommen, dass es so kommen könnte. Da hieß es, um für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein, solle ich schon mal mit dem Trainieren anfangen. Damit habe ich dann tatsächlich im März in Russland begonnen, obwohl es noch nicht komplett klar war.
Es war ja immer Ihr Traum, noch einmal ins All zu fliegen. Waren Sie erstaunt, dass es jetzt so schnell wieder klappt?
Ja, ich war sehr erstaunt. Und dann auch noch als Kommandant der ISS und auf dem Co-Pilotensitz der SoAls jus-Kapsel – das hätte ich nicht erwartet. Das ist eine tolle Sache für mich und ein großer Vertrauensbeweis unserer internationalen Partner USA und Russland für die Esa.
Sie sind von Mai bis November 2018 auf der ISS. Drei Monate davon leiten Sie das ISS-Team. Ein Deutscher als Kommandant der Internationalen Raumstation – könnte das Probleme geben, zum Beispiel, wenn Sie russischen Kollegen Anweisungen geben müssen?
Es gibt nur wenige Situationen, in denen man strikte Anweisungen geben muss. Wir sind Freunde an Bord und kennen uns seit Jahren. Und man geht natürlich auch sensibel um mit unterschiedlichen Kulturen und Sichtweisen. Schnelle Entscheidungen sind vom Kommandanten hauptsächlich in einem Notfall gefragt, wenn zum Beispiel ein Feuer ausbricht und die Zeit knapp ist. Solche Situationen werden deshalb oft auf der Erde geübt, ganz bewusst auch mit internationalen Mannschaften.
Und in normalen Zeiten, was ist da die Aufgabe des Kommandanten?
Kommandant ist man quasi der Kapitän auf dem Schiff. Man achtet darauf, dass es der Crew gut geht, dass die Stimmung passt und koordiniert zwischen Crew und der Bodenkontrolle. Wenn Not am Mann ist, springt man ein und hilft den Kollegen, man ist immer für die Crew da.
Haben Sie in der Vorbereitungszeit auch schon zusätzliche Aufgaben?
Ich habe ja das Glück, dass es nicht mein erster Flug ist. Die technische Seite fällt mir jetzt sehr viel leichter, weil ich schon weiß, was auf uns zukommt. Deshalb kann ich mich nun mehr auf die logistisch-organisatorische Seite konzentrieren. Ich kann mich mit meiner Erfahrung in die Planung einbringen. Noch dazu fliege ich ja jetzt auf dem linken, dem Co-Pilotensitz der Sojus-Kapsel zur ISS, und dafür muss ich genau lernen, wie man dieses Raumschiff steuert und fliegt. Damit werde ich jetzt fast das ganze restliche Jahr verbringen, bis Oktober bin ich fast konstant in Russland.
Vor Ihrem ersten Flug waren Sie sehr gespannt, wie Sie das denn nun tatsächlich erleben würden. Diesen Reiz des Neuen haben Sie dieses Mal nicht mehr.
Ja, ich kenne zwar vieles schon, aber das ist auf der anderen Seite auch eine Chance. Denn wenn man so etwas Spannendes erlebt wie einen Start in den Weltraum, kann man gar nicht alles mental aufnehmen. Vieles habe ich beim ersten Mal ausgeblendet. Ich freue mich darauf, nun auch die Nuancen mitzubekommen und die dynamischen Momente der Mission noch intensiver zu erleben.
Nach Ihrer Rückkehr haben Sie gesagt, das Eindrucksvollste sei gewesen, dass man aus dem All keine Grenzen auf der Erde sieht. Kommen Ihnen die Konflikte auf der Welt seitdem noch absurder vor?
Ja, das kann man so sagen. Es sieht absurd aus von da oben, dass Menschen sich bekriegen. Ich denke, rein hypothetisch, wenn es tatsächlich Leben außerhalb der Erde gibt und die hier vorbeikommen sollten, dann würden sie uns sicher beobachten, bevor sie mit uns Kontakt aufnehmen. Und wenn sie dann sehen, dass wir unsere Rohstoffe vergeuden und den Regenwald roden, der den Sauerstoff erzeugt, den wir atmen – würden sie uns dann wirklich für intelligent halten? Ich befürchte fast, sie würden lieber schnell weiterfliegen.