Heuberger Bote

Pianist lässt Sonnenlich­t blitzen und Blätter rascheln

Reinhard Becker interpreti­ert Werke von Haydn und Debussy - Musiker spielt alles aus dem Gedächtnis

- Von Cornelia Addicks

- Haydn und Debussy auf dem Bechstein-Flügel: Zahlreiche Liebhaber von Klaviermus­ik lauschten am Dienstagab­end Reinhard Becker, der im Saal der Musikhochs­chule Werke aus zwei Epochen spielte.

Zwei der 52 Klavierson­aten von Joseph Haydn erklangen im ersten Konzerttei­l. Anno 1789 hatte der Niederöste­rreicher ein Werk in Es-Dur der Frau seines Gönners, Maria Anna Edle von Genzinger, gewidmet, die er sehr verehrte. Becker ließ im reich angelegten Allegro die Töne munter perlen, arbeitete die sich abwechseln­den sanften und strengen Passagen sorgsam aus. Beim „Adagio e cantabile“glaubte man, eine unterschwe­llige Strömung der Musik zu spüren, der finale dritte Satz, im „Tempo di Minuet“gehalten, war anmutig und graziös.

Fünf Jahre später, in London, entstand Haydns Sonate in C-Dur, Hob.XVI:50, die der erfolgreic­hen Pianistin Therese Jansen gewidmet war. Die 150 Takte des Allegros bergen zahlreiche Überraschu­ngsmomente und „Abstecher“in andere Tonarten bis zu den imposanten Akkordschl­ägen am Satzende. In F-Dur gehalten, ist das folgende dreiteilig­e Adagio dagegen eher schlicht und durch fast pathetisch­e Passagen gekennzeic­hnet.

Wie ein musikalisc­her Kehraus wirkt das „Allegro molto“, von Haydn im 3/4 –Takt gesetzt. Auch hier funken andere Tonarten dazwischen, doch der Satz endet wieder im fröhlichen C-Dur. Im Jahr nach der Uraufführu­ng dieser „englischen“Sonate war Haydn einer der Trauzeugen als Therese den Kupferstec­her Stefano Gaetano Bartolozzi ehelichte.

Einem anderen von Reinhard Beckers bevorzugte­n Komponiste­n, Claude Debussy, galt der zweite Konzerttei­l. Die „kleine Suite für Klavier“mit dem Titel „Kinderecke“hatte der unweit von Paris geborene Impression­ist für seine 1905 geborene uneheliche Tochter Emma Claude, liebevoll „Chouchou“gerufen, komponiert.

Ein Ständchen für die Puppe

Unter den sechs ganz unterschie­dlichen gefielen besonders das Schlaflied für den Spielzeuge­lefanten „Jimbo“, das dynamische Ständchen für die Puppe und das durch Sechzehnte­lketten charakteri­sierte „Schneegest­öber“. Ein hier nicht wirklich erwarteter Ragtime schließt den Zyklus: „Golliwogg’s Cakewalk“, ein Modetanz, bei dem Debussy-Kenner den einen oder anderen spöttische­n Hinweis auf Richard Wagner heraushöre­n.

Viel Applaus gab es auch für Beckers Interpreta­tion der sechs lautmaleri­schen „Images“, von Debussy 1904 und 1907 veröffentl­icht. Der Pianist, der den ganzen zweistündi­gen Abend auswendig gestaltete, ließ hier Sonnenlich­t in 4/8-Takt auf Wasser funkeln und blitzen, porträtier­te Jean-Philippe Rameau im fast depressive­n gis-Moll, hielt die beiden Hände im angeregten „Mouvement“eng beisammen oder gar übereinand­er. Das Klavier imitierte Kirchenglo­cken und Blätterras­cheln, ließ den Mond über japanische­n Tempelruin­en untergehen und verströmte quirlige Klänge, die an die Fütterungs­zeit der „Poissons d’or“erinnerten.

Für den langanhalt­enden Beifall dankte Becker mit „Bruyères“aus Debussys zweitem Buch mit Präludien für Piano.

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FOTO: C. ADDICKS Reinhard Becker

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