Greiss soll die Russen alt aussehen lassen
Deutschlands Eishockey-Team baut heute gegen WM-Gastgeber Russland auf seinen Keeper
(dpa/ SID/sz) - Ohne eine Topleistung von NHL-Torhüter Thomas Greiss wird es nicht gehen. Denn im Kampf um den Halbfinal-Einzug dürfte das haushoch favorisierte russische Team um Superstar Alexander Owetschkin die Defensive von Außenseiter Deutschland mächtig durcheinanderwirbeln. Für eine Chance heute (19.15 Uhr/Sport1) in Moskau gegen den Gastgeber der Eishockey-WM kommt es für die deutsche Nationalmannschaft tatsächlich wieder einmal besonders auf den Torwart an. „Der steht seinen Mann“, sagte der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), Franz Reindl. „Er spielt überragend. Er macht einen Top-Eindruck.“
„Er hat eine Riesenausstrahlung“
Traditionell ist die Position für die DEB-Auswahl immens wichtig. Das deutsche Team war in entscheidenden Partien oft auf einen Torhüter angewiesen, der den Gegner verzweifeln lässt. So war es auch bei der Heim-WM 2010, als Dennis Endras mit Ausnahmeparaden in Serie Deutschland sensationell bis ins Halbfinale führte. Dort reichte es dann vor sechs Jahren nicht mehr – auch gegen Russland. Die Partie ging mit 1:2 verloren.
Im Allgäuer Greiss hat die Mannschaft von Bundestrainer Marco Sturm nun endlich wieder eine klare Nummer 1. Einen Keeper, dem solche Leistungen zugetraut werden. Seine Klasse hat der 30-Jährige in dieser Saison für die New York Islanders in der nordamerikanischen Profiliga NHL eindrucksvoll unter Beweis gestellt. In St. Petersburg ebnete der gebürtige Füssener mit seinen Reaktionen den Weg ins Viertelfinale. „Er spielt überragend“, schwärmte Reindl. „Er hat eine Riesenausstrahlung. Er gibt der Mannschaft Rückhalt.“
Dabei hatte der Bundestrainer den Bayer für die Weltmeisterschaft zunächst gar nicht eingeplant. Sehnlich hatte sich zwar Reindl die Zusage von Greiss gewünscht. Doch der hielt so gut, dass er noch zu Beginn des Turniers mit den Islanders in den NHL-Play-offs spielte. Ihn nachzunominieren hielt Sturm zunächst nicht für die beste Option, die Zeitverschiebung sprach dagegen, auch die Umstellung auf die größere europäische Eisfläche. Aber dann kam Greiss doch, weil er selbst wollte.
„Thomas ist einer der besten Torhüter der Welt in der besten Liga der Welt“, sagte sogar der als DEB-Keeper vorgesehene Ingolstädter Timo Pielmeier, der seinen Stammplatz abgeben musste. In vier Partien kassierte Pielmeier 14 Tore, unter Greiss waren es in den folgenden drei Spielen noch sechs. Im Vergleich zu den Spitzenteams stellte sich die deutsche Defensive insgesamt als Schwachpunkt heraus. Zum Vergleich: Russland musste in den sieben Partien nur zehn Gegentore einstecken, Kanada acht, Finnland sogar nur sechs.
Der hochmotivierte Gastgeber wird die deutsche Abwehr vor größere Probleme stellen als etwa die Ungarn oder Weißrussen. Die Offensive der Sbornaja ist überragend: Angeführt vom 30-jährigen Owetschkin von den Washingston Capitals, der momentan neben dem Kanadier Sidney Crosby als weltbester Profi gilt, spielen dort weitere Ausnahmekönner: Artemi Panarin von den Chicago Blackhawks, KHL-Stürmer Wadim Schipatschow und Pawel Dazjuk von den Detroit Red Wings. Er ist übrigens das Vorbild des deutschen Talents Leon Draisaitl. An Dazjuk haben sie beim DEB übrigens schlechte Erinnerungen. Der inzwischen 37Jährige war es, der damals 2010 im WM-Halbfinale den Siegtreffer für die Russen erzielte – 1:50 Minuten vor der Schlusssirene.
Daran wollen die aktuellen DEBSpieler aber nicht mehr denken. Es überwiegt die Vorfreude auf den Showdown gegen den Rekordweltmeister im Moskauer Eispalast. Stilecht in Kosakenmützen präsentierte sich das deutsche Team bei der Ankunft in der Hauptstadt. „Wir sind hier, um zu gewinnen. Die Stimmung wird bestimmt gigantisch sein“, sagte Bundestrainer Sturm nach dem Abschlusstraining. Keeper Greiss meinte: „Das wird ein lustiges Spiel. Es macht Spaß, wenn es in der Halle abgeht.“Und Kapitän Marcel Goc erklärte: „Gegen Russland in Russland zu spielen, etwas Schöneres kann es für einen Eishockeyspieler nicht geben.“140 Millionen Russen – Eishockey ist dort Volkssport – erwarten jedoch einen klaren Sieg ihrer Sbornaja gegen Deutschland. Bei der Heim-WM zählt de facto nur Gold.
Greiss weiß, dass er sich einen Patzer wie gegen Weißrussland nicht erneut erlauben darf. „Ich wollte auch mal ein Tor schießen“, hatte er gescherzt, nachdem er sich den Puck nach einem Befreiungsschlag selbst ins Netz gelegt hatte: ein kurioses, aber bedeutungsloses Eigentor. „Das kann jedem mal passieren“, hatte Sturm da gesagt. Heute lieber nicht. Für die DEL kamen die Nachrichten „aus heiterem Himmel“, so Geschäftsführer Gernot Tripcke. „Man muss hoffen, dass noch ein Ruck durch den einen oder anderen geht“, sagte er und hofft, dass sich neue Sponsoren finden. Sollte dies nicht der Fall sein, würden NachrückerRegelungen greifen, so dass die DEL 2016/17 auch ohne Auf- und Abstieg wieder mit 14 Klubs spielen werde.
Potenzielle Kandidaten für den freien Platz wären DEL2-Meister Kassel Huskies, die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven – und auch die Ravensburg Towerstars? Deren Geschäftsführer Rainer Schan lehnte dies jedoch ab. Er sagte auf Nachfrage zur „Schwäbischen Zeitung“: „Wir brauchen die Zeit bis 2017/18, bis der reguläre Auf- und Abstieg kommen soll. Wir müssen noch einige Hausaufgaben erledigen." Sich jetzt auf einen möglichen Nachrückerplatz zu bewerben, sei laut Schan „überhastet“. Kassels Geschäftsführer Joe Gibbs erklärte: „Unser Plan ist DEL2, Stand heute. Ob man was machen kann, muss man schauen.“