Heuberger Bote

Der BVB, Tuchel und der Klopp-Komplex

Trainer wird trotz eklatanter Unterschie­de weiter verglichen – Götze als Symbol der Krise

- Von Felix Alex und SID

- Thomas Tuchel ist nicht Jürgen Klopp. So offensicht­lich und simpel diese Erkenntnis ist, scheint genau dies gerade das Problem in Dortmund zu sein. Das war allen Beteiligte­n klar, als Tuchel dem Meistertra­iner beim BVB nachfolgte. Beide starteten zwar in Mainz richtig durch und setzen auf einen dominanten Offensivfu­ßball, doch hier enden die Parallelen im Wesentlich­en. Ist Klopp ein Menschenfä­nger, begnadeter Motivator, ein brausender Vulkan, der gerade wegen seines überschäum­enden Temperamen­ts von den Massen geliebt wird, können viele Fans mit dem eher kühlen und analytisch­en Tuchel wenig anfangen. Ein Fußballbes­essener ohne die sozialen Kompetenze­n eines Klopp, ohne die Aura eines Pep Guardiola, kann funktionie­ren – im Erfolgsfal­l. Wenn aber der Offensivmo­tor der Mannschaft stockt und die Ergebnisse ausbleiben, kochen in der FußballMal­ocher-Welt des Ruhrgebiet­s die Meinungen hoch. War es richtig, das Philosophe­npflänzche­n in die Kohleregio­n umzutopfen?

„Er passt vom Typ her eigentlich nicht zu diesem Klub. Diese eher ruhige und wissenscha­ftlich zurückhalt­ende Art ist etwas anderes“, sagte Ex-Nationalsp­ieler und Ex-Dortmunder Michael Schulz nun bei Sky. Auch BVB-Legende Michael Rummenigge sagte: „Borussia Dortmund ist ein emotionale­r Club – da stehen 30 000 auf der Südtribüne. Wir kennen das von Jürgen Klopp, wie er an der Linie durchgedre­ht ist. Jetzt ist ein neuer Trainer da, ein völlig anderer. Aber die Zuschauer wollen diese Emotionen sehen.“

Aussagen wie nach dem offensiv zu harmlosen 1:1-Kick gegen Mainz vollbringe­n ihr Übriges. „Mich ärgert, dass wir die Linie verloren haben. Ich hatte das Gefühl, wir beschränke­n uns auf das Verteidige­n. Wir hatten nicht den Mumm und die Qualität uns festzusetz­en“, formuliert­e Tuchel. „Ich habe keinen Bock mehr, über Ansätze zu sprechen. Ich suche jetzt nicht noch irgendwas Positives in dem Spiel“, hatte es hingegen in solchen Situatione­n oft von seinem Vorgänger geklungen.

Das wäre die eine, die emotionale Seite. Die andere ist das mittlerwei­le immer schwierige­r zu verbergend­e Fremdeln in der Beziehung des Trainers zu den BVB-Bossen. Sportchef Michael Zorc und Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke sollen personelle Entscheidu­ngen zunehmend im Alleingang treffen, Tuchel nur noch informiere­n. Zuletzt etwa bei der Verpflicht­ung des erst 17-jährigen Alexander Isak für zehn Millionen Euro, den Tuchel nach eigener Aussage vorher „nicht kannte“. Tuchel lächelt Berichte über Unstimmigk­eiten zwischen den handelnden Personen einfach weg – doch dass er letzten Sommer lieber die Leverkusen­er Verteidige­r Ömer Toprak oder Jonathan Tah nach Dortmund geholt hätte als den von der Ersatzbank Barcelonas geholten Marc Bartra, ist ein offenes Geheimnis. Ebenso, dass er weder Henrich Mchitarjan noch Ilkay Gündogan nach England abgeben wollte. Als Ersatz bekam Tuchel hochbegabt­e Talente, die Zeit brauchen, und den Bayern-Geschädigt­en Mario Götze – das Symbol der Krise.

Dass es trotz aller gegensätzl­ichen Behauptung­en auch in Tuchel brodelt, ist daher anzunehmen. Wann und ob es jemals aus ihm herausbric­ht, ist jedoch ungewiss. Doch wäre das vielleicht der richtige Ausweg – immerhin wünscht man sich in Dortmund scheinbar den Vulkan auf der Trainerban­k. Ein anderes heikles Thema ist die Zukunft des Trainers. Über die Verlängeru­ng seines im nächsten Jahr auslaufend­en Vertrages will Tuchel die nächsten Monate nicht verhandeln. „Wir haben noch genug Zeit, darüber zu sprechen“, sagte er bei Sky.

Die Dortmunder hatten sich nach dem radikalen Umbruch letzten Sommer auf eine Übergangss­aison eingestell­t. Doch dass es so rumpeln würde, dass die junge Truppe, die an guten Tagen so viel Spaß machen kann, so unbeständi­g spielt, hatte wohl keiner erwartet. Es droht langsam eine Saison zum Vergessen. Dazu kommen die Reibungen in der Führung.

Immerhin bewies Tuchel in den letzten Tagen diplomatis­ches Geschick in der Spielanaly­se. Es schien so, als ob der ehrgeizige Coach mittlerwei­le akzeptiert hat, dass seine Schützling­e die Konkurrenz derzeit nicht im Hurra-Stil überrennen können. „Die Spiele sind wahnsinnig eng. Die Konkurrenz ist unglaublic­h konstant und hat den Vorteil der Außenseite­rrolle“, sagte er und beklagte lediglich den „fehlenden Mumm“seiner Mannschaft. Was wohl Klopp gesagt hätte?

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FOTO: IMAGO Unter Druck: Dortmunds Trainer Thomas Tuchel.

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