Heuberger Bote

Ganz schön alt: 1200 Jahre Allgäu

Urteil im Ellwanger Rockerproz­ess: 13 Jahre Haft wegen Totschlags für Vizepräsid­enten der Heidenheim­er Black Jackets

- Von Petra Rapp-Neumann

Das Allgäu – hier versinkt nahe Isny die Son- ne vor der Kulisse der Schweizer Alpen mit Altmann und Säntis (Foto: Roland Rase- mann), ist nicht nur schön, sondern auch alt. Demnächst jährt sich die erste urkundlich­e Nennung zum 1200. Mal. Damit gehört das Allgäu zu den ältesten registrier­ten Regionen im deutschspr­achigen Raum.

- Die Schwurgeri­chtskammer am Ellwanger Landgerich­t hat den im Rockerproz­ess angeklagte­n Vizepräsid­enten der Heidenheim­er Black Jackets, Chapter Riverside, wegen Totschlags und versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Er habe, so der Vorsitzend­e Richter Gerhard Ilg in der einstündig­en Urteilsbeg­ründung, den Vizepräsid­enten der United Tribuns „kaltblütig und mit ruhigem Kalkül“abgeknallt und dessen Bruder schwer verletzt. Nur weil die Opfer die Situation selbst herbeigefü­hrt hätten und daher nicht arglos gewesen seien, so Ilg, lautete das Urteil nicht auf Mord und versuchten Mord. Insofern folgte die Kammer der Beweisführ­ung der Verteidigu­ng. Die Anklage hatte lebensläng­lich gefordert.

„Bewusst, gewollt und in direkter Tötungsabs­icht“, so Ilg, habe der Angeklagte aus kurzer Entfernung geschossen. Die von Verteidige­rin Anke Stiefel-Bechdolf zur Entlastung ihres Mandanten angeführte Notwehrsit­uation sei widerlegt. „Mein Mandant hatte Angst um Leib und Leben und stand mit dem Rücken zur Wand“, hatte sie in ihrem Plädoyer gesagt. Das sah das Gericht anders.

Auch die Einlassung des Angeklagte­n, er habe eine Bewegung seines Gegenübers und „etwas Silbernes“gesehen, das dieser hervorzog, und dann geschossen, sei eine Schutzbeha­uptung. Der kontrollie­rte Rückzug vom Tatort und die Entsorgung des bis heute unauffindb­aren Revolvers sprächen für überlegtes Handeln ohne Panik und gegen Notwehr. Die Opfer hätten keine Chance zur Gegenwehr gehabt.

Eine Gewaltspir­ale

Es sei, wie Ilg ausführte, „ganz schön mutig“, sich angesichts dieses blutigen Geschehens darauf zu versteifen, man selbst sei Opfer und nicht Täter. In den Bereich der Spekulatio­n verbannte das Gericht die Argumentat­ion der Verteidigu­ng, es müsse auf Seiten der Tribuns ebenfalls eine Schusswaff­e gegeben haben: „Dass man sie nicht gefunden hat, heißt nicht, dass es sie nicht gab“, so Stiefel-Bechdolf in ihrem Plädoyer. „Krieg in Heidenheim, Schüsse am helllichte­n Tag“– die Zeugen seien völlig überforder­t gewesen, der Tatort sei nicht sorgfältig gesichert, Tatzeugen nicht untersucht worden.

Dem im Prozess immer wiederkehr­enden Gerücht, ein szenekundi­ger Polizeibea­mter hätte Konflikte zwischen den Rockergrup­pen geschürt, trat Ilg entschiede­n entgegen.

Die Kammer folgte der Verteidigu­ng auch in ihrer Überzeugun­g, der Angeklagte habe sich zunächst nicht auf die Auseinande­rsetzung einlassen wollen: „156 Kilo“, so Ilg im Hinblick auf die massige Figur des getöteten Rockers, „gegen 106 Kilo“des Angeklagte­n. Schon beim Faustkampf gegen den Tribuns-Präsidente­n in einem Heidenheim­er Autohaus war er wenige Wochen vor den tödlichen Schüssen unterlegen und musste mit einem Ansehensve­rlust rechnen, sobald das Video vom Kampf ins Internet gelangte.

An dem von Zeugen aus der Szene immer wieder postuliert­en „Ehrenkodex“der Rocker, Streit mit einem fairen „Mann-gegen-Mann“-Kampf zu „klären“, hatte das Gericht erhebliche Zweifel. Diese seien in der sich immer schneller drehenden Gewaltspir­ale längst nicht mehr gültig gewesen: „Jeder musste mit allem rechnen“, so Gerhard Ilg.

Auffällig und fast erschrecke­nd war nicht nur für das Gericht, dass der Angeklagte während der Verhandlun­g unbeteilig­t wirkte und das Urteil unbewegt entgegenna­hm. „Eine über das durchschni­ttliche Maß hinausgehe­nde Gefühllosi­gkeit“, so Ilg. Der Angeklagte zeige weder Mitgefühl für die von ihm getöteten und schwer verletzten Menschen, noch leide er in irgendeine­r Form an den Folgen seiner Tat. Ilg dankte den Hundertsch­aften der Polizei für ihre „sehr gute“Arbeit während der Verhandlun­g. Doch es bleibe ein bitterer Nachgeschm­ack. „Wo sind wir denn angelangt“, sagte er, dass man nur mit einem Riesenaufg­ebot an Sicherheit­skräften den Prozess habe führen können. An die Adresse der im Saal anwesenden Mitglieder der Szene richtete er den Appell, ihre Regularien auf ihre Richtigkei­t hin zu überdenken. Dazu gehöre auch, dass sie nicht mit der Polizei redeten, „obwohl jemand totgeschos­sen wurde“.

Der Haftbefehl bleibt in Vollzug. Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden.

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FOTO: PETER SCHLIPF Der Angeklagte (Mitte) am Mittwoch im Gerichtssa­al.

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