Neuer Schlag gegen militante Islamisten
Behörden nehmen mehrere Verdächtige fest – Regierung führt Fußfesseln für Gefährder ein
- Knapp zwei Monate nach dem WeihnachtsmarktAnschlag von Berlin sind die Behörden am Mittwoch in mehreren Bundesländern massiv gegen islamistische Terrorverdächtige vorgegangen. In Hessen nahm die Polizei am Mittwoch einen Tunesier fest, der für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einen Anschlag in Deutschland geplant haben soll. In Berlin wurden drei Islamisten verhaftet, von denen zwei Kontakt zum Berlin-Attentäter Anis Amri gehabt haben sollen. Bei Nürnberg wurde ein 31-Jähriger gefasst, der in Syrien Mitglied einer Terrormiliz gewesen sein soll.
Ebenfalls am Mittwoch stellte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin eine am Vormittag vom Bundeskabinett gebilligte Gesetzesänderung vor. Demnach kann das Bundeskriminalamt (BKA) islamistische Gefährder künftig zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichten, wenn ein Anschlag für möglich gehalten wird. Auf die Gesetzesänderung hatten sich de Maizière und Justizminister Heiko Maas (SPD) nach dem Berliner Anschlag verständigt.
De Maizière forderte die Länder auf, ebenfalls erleichterte Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Die meisten Gefährder würden nach Landesrecht überwacht: „Deshalb hoffe ich, dass sich die Bundesländer an der Vorschrift orientieren und rasch vergleichbare Befugnisse schaffen.“Zustimmung erhielt er von seinem Parteifreund Guido Wolf. Baden-Württembergs Justizminister erklärte: „Zwar ist die elektronische Fußfessel kein Wundermittel bei der Verbrechensbekämpfung. Sie ist aber ein weiterer Baustein.“Klar sei auch, dass weitere Schritte folgen müssen.
Dies sieht de Maizière ebenso. Er sagte zur „Schwäbischen Zeitung“, dass bestimmte muslimische Moscheen genauer beobachtet werden müssen. Moscheen seien zwar in erster Linie Gebets- und Andachtsräume und stünden unter einem besonderen Schutz des Staates. „Es gibt aber Moscheen, in denen Hass gepredigt wird und die zum Kampf gegen unsere freiheitliche Ordnung missbraucht werden“, erklärte er. Sie müssten gegebenenfalls geschlossen werden.
- Ein erfolgreicher Schlag gegen Islamisten in Deutschland: In Hessen und Berlin haben Ermittler am Mittwoch Terrorverdächtige festgenommen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Razzien und den neuen Fußfessel-Plänen der Bundesregierung. Welches Ziel hatten die Anti-Terror-Razzien in Hessen? Es geht um 16 Beschuldigte, 13 von ihnen wird vorgeworfen, eine schwere staatsgefährdende Straftat vorbereitet zu haben. Festgenommen wurde ein Tunesier, der für die Terrormiliz IS in seinem Heimatland Anschläge verübt haben soll – unter anderem den auf das Bardo-Museum in Tunis 2015 mit 20 Toten. Der 36-jährige Mann soll der Kopf eines Netzwerks im Rhein-Main-Gebiet gewesen sein und für den IS als Anwerber und Schleuser fungiert haben. Stand ein Anschlag in Deutschland unmittelbar bevor? Davon gehen die Ermittler nicht aus. Ein konkretes Ziel für einen Anschlag habe es noch nicht gegeben, wohl aber Vorbereitungen, so die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt. Der festgenommene Tunesier gilt als gefährlich. Er hatte wegen eines Festnahmeersuchens tunesischer Behörden bereits in Abschiebehaft gesessen, wurde aber wieder freigelassen, weil Tunesien keine vollständigen Unterlagen vorgelegt hatte. Seit November 2016 stand der Mann rund um die Uhr unter Beobachtung. Jetzt griffen die Ermittler zu. Was hat es mit den Festnahmen in Berlin auf sich? Gegen die drei in der Hauptstadt Festgenommenen, die 21, 31 und 45 Jahre alt sind, wird wegen Terrorverdachts ermittelt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen gibt es Verbindungen zu Anis Amri, dem Attentäter vom 19. Dezember 2016. Wie Amri waren die Männer in der „Fussilet 33“-Moschee in Berlin-Moabit ein- und ausgegangen – einem Salafisten-Treffpunkt. Der Verein soll verboten werden.
Werden islamistische Gefährder nun flächendeckend mit elektronischen Fußfesseln überwacht? Das bleibt abzuwarten. Das Bundeskabinett hat eine entsprechende Änderung
des BKA-Gesetzes auf den Weg gebracht. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) fordert die Länder auf, jetzt erleichterte Voraussetzungen für Fußfesseln bei potenziellen Terroristen zu schaffen. Für die Überwachung bedarf es grundsätzlich einer richterlichen Zustimmung, bei „Gefahr in Verzug“kann sie nachträglich eingeholt werden.
Wie funktionieren Fußfesseln?
Die Geräte verfügen über einen Sender, der weitergibt, wo sich der Betroffene befindet. Für Terrorverdächtige soll es jeweils Verbote geben, sich an bestimmten Orten aufzuhalten. Bei Verstößen schlägt die Technik Alarm. Kritiker weisen darauf hin, dass der Anschlag vor Weihnachten in Berlin mithilfe einer elektronischen Fußfessel nicht hätte verhindert werden können. „Fußfesseln sind kein Allheilmittel“, räumt Innenminister de Maizière ein. Welche weiteren Änderungen sind geplant? Teil des BKA-Gesetzes sind Beschränkungen für das Abhören und Filmen der Privatwohnungen. Künftig darf es bei Kontakt- und Begleitpersonen
von Verdächtigen keine Wohnraumüberwachung mehr geben. Mit der Änderung reagiert die Bundesregierung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Teile des Gesetzes für nichtig erklärt hatte. Innenminister de Maizière hat weitere gesetzliche Änderungen angekündigt – unter anderem bei der Abschiebehaft. Ausländer sollen künftig auch dann in Haft genommen werden können, wenn es bis zu ihrer Rückführung noch mehr als drei Monate dauert. Außerdem soll es weitere Haftgründe geben – etwa die „Terrorgefahr“.