Siemens-Chef kontra Trump
Entwicklung in den USA bereitet Joe Kaeser Sorge
(dpa/rm) - SiemensChef Joe Kaeser hat sich beunruhigt gezeigt über die politische Entwicklung in den USA unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump. „Es ist zu hoffen, dass sich dieses großartige Land wieder auf das besinnt, was es groß gemacht hat“, sagte der Konzernchef am Mittwoch vor der Hauptversammlung in München. Die USA stünden für eine Tradition von Freiheit, Weltoffenheit und Integration von Menschen unterschiedlicher Religionen und Herkunft. Zwar sei das Streben nach mehr Sicherheit verständlich, es wäre aber „sehr schade“, wenn man die Errungenschaften aufgeben würde.
Kaeser ließ durchblicken, dass man sich auch auf mögliche Auswirkungen von Trumps Politik auf das wichtige US-Geschäft vorbereite. Die USA sind mit zuletzt rund 22 Milliarden Dollar (rund 20,4 Milliarden Euro) Jahresumsatz größter Einzelmarkt für Siemens.
- Ist der neue US-Präsident Donald Trump für den global aufgestellten Elektrokonzern Siemens gut oder schlecht? Das fragten sich viele Aktionäre, die am Mittwoch zur Hauptversammlung nach München gekommen waren. Eine schlüssige Antwort darauf konnte auch Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser nicht geben, aber ein Unbehagen war deutlich spürbar.
Am letzten Geschäftsjahr, das bei Siemens am 30. September endete, wie auch am ersten Quartal des neuen hatten Aktionärsvertreter nichts zu kritisieren. Vor dem Hintergrund eines Gewinnanstiegs in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres um gut 30 Prozent hob der SiemensVorstand die Prognose für das ganze Jahr kräftig an: Die Ergebnismarge soll zwischen elf und zwölf Prozent liegen (bisher 10,5 bis 11,5 Prozent) und das Ergebnis je Aktie auf 7,20 bis 7,70 Euro (bisherige Erwartung: 6,80 bis 7,20 Euro). Damit könnte der Konzern unterm Strich 2016/17 (30. September) bis zu 6,55 Milliarden Euro verdienen.
Vor diesem Hintergrund konnte Vorstandschef Kaeser verkünden: „Wir haben geliefert.“Das von ihm aufgelegte Strategieprogramm „Vision 2020“habe alle Erwartungen erfüllt und Siemens „great again“gemacht. Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz widersprach dem nicht: „Wir sind wieder stolz, Siemens-Aktionäre zu sein.“Ein Aktionär aus Hamburg empfahl gar „Kaeser for President“.
USA wichtigster Einzelmarkt
Die Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahl auf Siemens seien noch nicht absehbar, heißt es im Geschäftsbericht lapidar. Die USA sind mit einem Umsatz von zuletzt 22 Milliarden Euro der wichtigste Einzelmarkt für Siemens. Der Konzern unterhält in den USA mehr als 40 Fabriken, beschäftigt etwa 50 000 Menschen und zahlt 35 Prozent Steuern – viel für die USA. In den letzten 15 Jahren habe man dort 35 Milliarden Dollar investiert. „Wir sind etablierter Bestandteil dieser Gesellschaft, der sich nicht auf unfaire Importpraktiken zurückziehen muss“, sagte Kaeser.
So, hofft man in München, sollte Siemens von der Trump'schen Protektionismuswut ungeschoren bleiben – die „ungewöhnliche Führung“(Kaeser) im Weißen Haus verunsichert aber. Da der Konzern in die Ölund Gasfördertechniken investiert hat, könnte er von der Abwendung Trumps vom Klima- und Umweltschutz sogar profitieren. Aber will man das bei Siemens? In seiner Rede vor den Aktionären hielt Kaeser ein regelrechtes Plädoyer für den Klimaschutz: Es wäre für die Menschheit „fatal“, die „historische Weichenstellung“für den Schutz des Klimas zurückzunehmen, warnte Kaeser. Die Auswirkungen des Klimawandels seien „dramatisch“.
Die Konzernchefs fühlten sich nicht nur als Klimaschützer, sondern auch als Verteidiger des freien Welthandels und der Menschenrechte. Siemens wolle der Gesellschaft dienen und für die Achtung von „Rasse, Geschlecht und Religion überall, auch in Amerika“, einstehen, sagte Kaeser unter starkem Beifall der Anteilseigner. Die USA seien durch Offenheit und auch Immigration groß geworden.
Zuvor hatte der Siemens-Chef seine Sorge über die Entwicklung jenseits des Atlantiks zum Ausdruck gebracht: „Es besorgt uns schon, es besorgt mich persönlich, dass wir Töne hören, die bisher zu unserer Wahrnehmung dieses Landes nicht passten. Es ist zu hoffen, dass sich dieses großartige Land wieder auf das besinnt, was es groß gemacht hat.“Der kantige scheidende Aufsichtsratschef Gerhard Cromme sah sich veranlasst, soziale Werte zu betonen. Dies sei der einzige Weg, „um populistischen Kräften den Wind aus den Segeln zu nehmen“. Dies gelte umso mehr, als „protektionistische Bestrebungen“die Vorteile einer internationalen Arbeitsteilung infrage stellten.
„Was wir selbst bewerkstelligen können, schreckt uns nicht“, zeigte Kaeser Selbstbewusstsein. Erneut soll die Dividende pro Aktie um zehn Cent auf 3,60 angehoben werden. Mehr noch freute die Aktionäre, dass die Siemens-Aktien im vergangenen Jahr um 30 Prozent anstiegen während der DAX nur um 6,9 Prozent zulegte. Der Konzern sei „schneller, flexibler und weniger komplex“geworden, sagte Kaeser, aber es bleibe noch viel zu tun. Dabei werde man auch tun, „was zu tun ist“, erklärte der Konzernchef: „Denn das Gesamtwohl steht über Einzelinteressen.“
Erfahren hat man das in letzter Zeit an den Siemens-Standorten in Nürnberg, Neustadt an der Saale und Ruhstorf, erinnerte ein Vertreter der Siemens-Beschäftigten an den Jobabbau an diesen Standorten. Sichere Arbeitsplätze aber seien ein „Wohlfühlfaktor“, der wiederum Voraussetzung für Kreativität sei. Von den für 2017 geplanten 25 000 Neueinstellungen sollen nur 3000 in Deutschland stattfinden. „Um- und Abbau waren an der Tagesordnung“, kritisierte Udo Becker vom Verein „Wir für Siemens“. Die Standorte benötigten eine langfristige Perspektive, mahnte Becker.
Weiteres Thema war der angekündigte Börsengang der Medizintechnik des Konzerns, der wiederholt kritisch kommentiert wurde. Investitionen in diesem Bereich seien „mit anderen Fragen und Bewertungen“verbunden als im sonstigen Industriegeschäft, sagte Kaeser kryptisch. Er bat die Aktionäre um Verständnis, dass man sich zu Zeitpunkt und Umfang noch nicht äußern wolle.