Notarzt-Modell vorerst gerettet
CDU und SPD einigen sich in Berlin auf Änderungen für nebenberufliche Retter
(tja) - Das akut bedrohte Modell der Notarzt-Versorgung steht vor der Rettung. In Berlin haben sich CDU und SPD auf eine entsprechende Gesetzesänderung geeinigt. Sie soll Mitte Februar vom Bundestag verabschiedet werden. Damit dürfen Mediziner wie bisher nebenberuflich als Notärzte arbeiten, ohne dass Kliniken oder Ärzte rechtliche Konsequenzen fürchten müssen. Zuletzt hatten Gerichte solche Nebenjobs mehrfach als Scheinselbstständigkeit gewertet. Das hatte Landkreise und Kliniken vor massive Probleme gestellt. Auf dem Land decken Nebenberufler 80 Prozent der Notarzt-Schichten ab.
- Entwarnung aus Berlin: Um das Notarzt-System in ländlichen Regionen aufrechtzuerhalten, haben sich CDU und SPD auf eine Gesetzesänderung geeinigt. Diese soll Mitte Februar im Bundestag beschlossen werden. Dabei geht es um die Sozialversicherungspflicht für Tätigkeiten, die Ärzte neben ihrer regulären Arbeit ausüben. Kritiker warnen jedoch vor rechtlichen Problemen.
Viele Mediziner, die als Notärzte im Rettungsdienst im Einsatz sind, tun dies nicht hauptberuflich. Sie haben entweder noch einen Job an einer Klinik oder eine eigene Praxis. Auf der Schwäbischen Alb, im Schwarzwald, Allgäu oder Oberschwaben sind bis zu 80 Prozent der NotarztSchichten mit Honorarkräften besetzt. Landesweit ist es nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft der Notärzte etwa jede dritte. Nebenberufler sichern Versorgung Ohne diese Nebenberufler würde die Versorgung zusammenbrechen. Mehrere Sozialgerichte hatten zuletzt geurteilt: Nebenberufliche Notärzte müssen Sozialabgaben zahlen. Sie gelten als scheinselbständig. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte unter anderem in BadenWürttemberg und Bayern zahlreiche Kliniken aufgefordert, diese Sozialbeiträge nachzuzahlen. Mehrere Prozesse gegen Kliniken laufen.
Denn es sind die Krankenhäuser, die den Notarzt-Dienst organisieren müssen und damit Verträge mit den Ärzten schließen. Mediziner beklagten den hohen bürokratischen Aufwand, der ihnen durch die Pflicht zu Sozialabgaben entstanden ist. Kliniken befürchteten, deshalb am ohnehin schon ausgedünnten Arbeitsmarkt keine Notärzte mehr zu finden. Verantwortlich für das Gesetz ist das SPD-geführte Arbeitsministerium. CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe hatte unter anderem auf Drängen seines Parteifreunds aus Baden-Württemberg, Landesinnenminister Thomas Strobl, einen runden Tisch eingerichtet.
Nun haben sich die Fachpolitiker der großen Koalition geeinigt. Sie wollen Ausnahmeregeln für Mediziner beschließen. Haben diese eine Festanstellung von mehr als 15 Stunden pro Woche, müssen sie für Notarzteinsätze im Nebenjob keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Ohnehin wären dies nur 1,5 Prozent des Nebenverdienstes. Ansonsten waren die Mediziner durch ihren Hauptjob bereits abgesichert und von der Versicherungspflicht darüber hinaus befreit. Die Befreiung mussten sie aufwendig beantragen. „Wir wollen selbstverständlich, dass alle Arbeitnehmer ausreichend sozialversichert sind, aber wir müssen vermeiden, Ärzten an dieser Stelle zu viele bürokratische Hindernisse in den Weg zu stellen“, sagt Hilde Mattheis (SPD). Die Ulmer Abgeordnete hat im Gesundheitsausschuss des Bundestages an dem Kompromiss mitgearbeitet. Ohne Anreize werde es auf dem Land noch schwieriger, Notärzte zu finden. Sie hält das Problem für gelöst.
Diese Auffassung teilen Vertreter der Notärzte und der Krankenhäuser. „Selbstständige Notärzte sowie die Krankenhäuser und Rettungsdienstorganisationen, für die sie tätig sind, gehen nach aktueller Rechtslage erhebliche, auch strafrechtliche Risiken ein, wenn sie sich weiter im Notarztsystem engagieren. Dieser inakzeptable Zustand soll durch die geplante Rechtsänderung beendet werden“, sagt Alexis von Komorowski, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Landkreistages.
Rechtliche Grauzone
Dennoch weist er auf eine Problematik hin, die aus seiner Sicht weiterhin ungelöst bleibt: die Arbeitszeit. Festangestellte Ärzte dürfen pro Woche maximal 54 Stunden arbeiten. Die zusätzliche freiberufliche Tätigkeit wird dabei aber nicht berücksichtigt. Auch hier befänden sich Kliniken und Ärzte in einer rechtlichen Grauzone, mahnt von Komorowski.
Er fordert weitere Änderungen – ebenso wie die Krankenhausgesellschaft BWKG. Beide befürchten neue Prozesse, nun wegen nicht eingehaltener Arbeitszeiten. Die Deutsche Rentenversicherung sieht diese ebenfalls als ungelösten rechtlichen Knackpunkt. Sie warnt außerdem, dass auch andere Berufsgruppen Ausnahmeregeln von der Sozialversicherungspflicht für Nebenjobs fordern. Eduard Kehrberger von der Arbeitsgemeinschaft südwestdeutscher Notärzte hält weitere Anpassungen nicht für notwendig. „Jeder Arzt weiß, was passiert, wenn er übermüdet arbeitet und dann ein Fehler passiert“, so der Notfallmediziner. Dann muss der Mediziner beweisen, dass er keinen Behandlungsfehler gemacht hat – was oft schwierig ist.
Winfried Leiprecht, Sprecher der Oberschwabenklinik (OSK), sieht das ähnlich. Zum einen weise die OSK ihre Arbeitnehmer schriftlich darauf hin, dass sie verpflichtet seien, das Arbeitszeitgesetz einzuhalten, wenn diese Nebentätigkeiten ausüben. Außerdem würden Vorgesetzte genau darauf achten, ob Kollegen übermüdet zum Dienst erschienen.