Heuberger Bote

Spur im Düsseldorf­er Rohrbomben-Anschlag führt nach rechts

50-jähriger Verdächtig­er festgenomm­en – Bei Bombenexpl­osion 2000 wurde ein ungeborene­s Baby getötet – Mögliche rechtsradi­kale Motive

- Von Frank Christians­en

(dpa) - Die weiße Plastiktüt­e baumelte an einem Geländer: Am 27. Juli 2000 um 15.03 Uhr explodiert am Düsseldorf­er S-Bahnhof Wehrhahn in der Tüte eine Rohrbombe, gefüllt mit dem Sprengstof­f TNT, vermutlich fern gezündet. Die ersten Rettungskr­äfte berichten von „vielen Bewusstlos­en mit großen blutenden Wunden“. Ein Metallspli­tter dringt in den Bauch einer schwangere­n Frau und tötet ihr ungeborene­s Baby. Sie schwebt in Lebensgefa­hr. Die zehn Verletzten sind überwiegen­d jüdische Einwandere­r.

Fast 17 Jahre später scheint der Terroransc­hlag aufgeklärt. Die Spur führt ins rechtsradi­kale Milieu. Am Dienstagmo­rgen nimmt eine Spezialein­heit den 50-jährigen Ralf S. fest. Nicht zum ersten Mal: Schon kurz nach der Explosion war S. wegen der Bombe festgenomm­en worden. Der Rechtsradi­kale betrieb in der Nähe des Tatorts einen Militaria-Laden, war fremdenfei­ndlich bekannt. Seine martialisc­hen Auftritte hatten ihm im Viertel den Spitznamen „Sheriff von Flingern“eingebrach­t. Doch während der Mann damals mangels ausreichen­der Beweise wieder auf freien Fuß gesetzt werden musste, erlässt diesmal ein Richter Haftbefehl.

Die Beweislage sieht 2017 deutlich besser aus als im Jahr 2000: Der Verdächtig­e soll die Tat einem Mitgefange­nen gestanden haben, als er wegen einer nicht gezahlten Geldstrafe im Gefängnis von CastropRau­xel saß.

Außerdem ist eine Zeugin, die dem Verdächtig­en damals ein Alibi gegeben hatte, inzwischen von der entlastend­en Aussage abgerückt. Sie sei damals von S. unter Druck gesetzt worden, berichten die Ermittler.

Alibi widerlegt

Drittens sei die Version, wonach S. zur Tatzeit zu Hause gewesen sei und telefonier­t habe, widerlegt: Das Telefonat habe erst vier Minuten nach der Explosion begonnen. Viertens geben zwei Zeugen an, dass er die Tat damals angekündig­t habe. Obwohl er in einer finanziell desolaten Lage gewesen sei, Strom und Miete für seinen Laden nicht mehr zahlen konnte, habe er – vermutlich für den Bau der Bombe – eine zweite Wohnung in Tatortnähe angemietet, die er nach dem Anschlag gekündigt habe.

Profiler des Landeskrim­inalamts hatten in einem neuen Gutachten weitere Mosaikstei­ne zusammenge­fügt: Alle Indizien hätten danach zum Beschuldig­ten S. geführt. So konnten nun Gegenständ­e aus seiner Wohnung mit dem Sprengsatz in Verbindung gebracht werden: Er kann schweißen und hatte ein Schweißger­ät, wie es für den Bau der Bombe verwendet worden sei.

Die Opfer kamen vom Deutschunt­erricht an einer Sprachschu­le. Die Schule befand sich gegenüber des Militaria-Ladens des Verdächtig­en. Die Polizei trieb einen gewaltigen Aufwand, um den Anschlag aufzukläre­n. 1500 Menschen wurden befragt, mehr als 300 Spuren verfolgt, 450 Beweisstüc­ke gesammelt. Zuletzt waren die Ermittler besonders sparsam mit Auskünften. Im Verborgene­n waren die Ermittlung­en bereits wieder ins Rollen gekommen, ausgelöst durch den Hinweis des Mitgefange­nen.

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FOTO: DPA Vor knapp 17 Jahren explodiert­e in Düsseldorf eine Rohrbombe.

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