Die Jugend dauert immer länger
An über 50-Jährige, die sich nicht nur fit, sondern auch äußerst jugendlich fühlen, hat man sich längst gewöhnt. Jetzt kommt die neue Nachricht: Die Jugend selbst wird immer älter. Junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren hat der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung diesmal besonders unter die Lupe genommen. Der Grund: In den letzten Jahrzehnten hat man immer unter dem Aspekt Bildung und Schule auf die Kinder geschaut und zu wenig darauf, wie Jugendliche und junge Erwachsene zu sich selbst finden, wie sie Urteilskraft entwickeln und sich gesellschaftlich zurechtfinden. Viele Jugendliche klagen, dass sie nicht genug Zeit und keinen Freiraum zum Ausprobieren haben.
Dass Kinder und Jugendliche durch G 8 und den Bachelor schneller erwachsen und im Beruf sind, habe sich als Illusion erwiesen, sagte Thomas Rauschenbach, Sachverständiger und Leiter des Deutschen Jugendinstituts DJI, bei der Vorstellung des Kinder- und Jugendberichts in Berlin. Im Gegenteil würden Jugendliche heute später aus ihrem Elternhaus ausziehen, sie gingen später als früher Partnerschaften ein und würden auch später Eltern. Kein Wunder, dass Jugendliche selbst die Jugend bis zu einem Alter von 27 Jahren definieren, also weit ins dritte Lebensjahrzehnt hinein.
Ein Grund des verzögerten Erwachsenwerdens könnte auch sein, dass die heutigen Jugendlichen einfach weniger Zeit haben. Sei es durch die Straffung der Lehrpläne bei G 8 oder die zunehmende Verschulung an den Unis. Die Jugendlichen bemängelten eine „Verdichtung und Verzweckung“des Lebens, sie hätten das Gefühl, immer nur funktionieren zu müssen, sagt Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Familie.
Neben der Forderung nach größeren Freiräumen für Jugendliche kommt der Bericht zum Schluss, dass man eine Stärkung der politischen Bildung brauche. „Vor lauter Neutralitätsdenken“in den Schulen sei dies vernachlässigt worden, so Rauschenbach. Viele Jugendliche engagierten sich zwar projektbezogen, aber nur sehr wenige in Parteien. Politische Bildung aber ist laut Caren Marks mehr als das Wissen, wie der Bundestag funktioniert. Die Jugendlichen müssten selbst die Willensbildung miterleben und auch Medienkompetenz aufbauen.
Der Bericht empfiehlt, die Ganztagsschule für Jugendliche attraktiver zu gestalten. Es gehe nicht um Betreuung wie bei den Grundschülern, sondern um attraktive Angebote. In und außerhalb der Schule müsse mehr getan und Schülern Mitgestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Und nicht zuletzt sollten Leistungen des Staates bei der Heimerziehung nicht mehr mit 18 Jahren und dem Erreichen der Volljährigkeit enden. „Wer stellt schon seinem Kind, wenn es 18 wird, die Koffer vor die Tür?“, fragt Rauschenbach.