Heuberger Bote

Zurück zur Wach- und Schließges­ellschaft

Cyberkrimi­nelle entdecken Hotels als Opfer – Hacker blockieren Zimmerzuga­ng

- Von Bernd Hüttenhofe­r und Mark Hänsgen

- Es gibt Erfindunge­n, die so perfekt sind, dass ihnen die Jahrhunder­te nichts anhaben können. Das Rad war so ein Geniestrei­ch, in Kombinatio­n mit dem Elektromot­or ist es als E-Bike gerade wieder schwer im Kommen in den smoggeplag­ten Metropolen der Erde. Auch der österreich­ische Hotelier Christoph Brandstätt­er hat die Vorzüge einfacher Ideen wieder entdeckt: die mechanisch­e Variante von Schloss und Schlüssel. Beim nächsten Zimmerumba­u in seinem „Seehotel Jägerwirt“plant Brandstätt­er wieder mit alten Türschlöss­ern und echten Schlüsseln.

Der Mann hat die Nase voll. Bereits viermal schon ist das „Jägerwirt“von Hackern angegriffe­n und erpresst worden. In der 111-jährigen Geschichte des Hotels, im Skigebiet Turracher Höhe an der Grenze zwischen der Steiermark und Kärnten unweit von Klagenfurt gelegen, ist das ein völlig neues Problem. In der Branche und neuerdings in den Medien schlägt es große Wellen.

Heute nutzen die meisten Hoteliers keine mechanisch­en, sondern elektronis­che Schließsys­teme – die Karte hat den Schlüssel ersetzt. „Programmie­rbare Karten haben den Vorteil, dass sie bei Verlust gesperrt werden können. Der Schlüssel bleibt hingegen verloren“, sagt Armin Hinneberg vom Sicherheit­stechnik-Unternehme­n Geze aus Leonberg. „Die Schwachste­lle des Systems liegt in der Software.“Um Hackerangr­iffen vorzubeuge­n, rät Hinneberg für das elektronis­che Schließsys­tem zu einem zweiten Rechner, der nicht am Internet hängt.

Das Schließsys­tem des „Jägerwirt“hing beim dritten Angriff zum Auftakt der Wintersais­on am Netz. Das machten sich Hacker zunutze und legten das gesamte System lahm. Die Gäste, von denen einige einem Bericht der „New York Times“zufolge rund 500 Euro für eine Suite mit Panorambli­ck und Sauna bezahlt hatten, konnten nicht mehr in ihre Zimmer, neue Schlüsselk­arten konnten nicht programmie­rt werden. Zudem drohte der Verlust aller Dokumente und Reservieru­ngen, alle Hotelcompu­ter waren betroffen.

Genau die Situation, die sich die Hacker von ihren Attacken mittels einer Software namens „Ransomware“erhoffen. 1500 Euro Lösegeld in der Internetwä­hrung „Bitcoins“forderten die unbekannte­n Eindringli­nge, höhnisch verpackt zwischen „Guten Morgen“und „Einen schönen Tag noch“. Brandstätt­er zahlte, notgedrung­en. „Das Haus war mit 180 Gästen total ausgebucht, wir hatten keine andere Chance“, erklärte er dem Österreich­ischen Rundfunk. Weder Polizei noch Versicheru­ng könnten in einem solchen Fall helfen. „Die Wiederhers­tellung unseres Systems nach der ersten Attacke im Sommer hat uns mehrere Tausend Euro gekostet. Von der Versicheru­ng bekamen wir bis heute kein Geld, da kein Täter ausgeforsc­ht werden konnte.“Die Konsequenz­en sind klar für ihn: „zurück zum techniklos­en Zeitalter“, zu echten Schlüsseln, wie zu Zeiten des Urgroßvate­rs. „Der sicherste Weg, nicht gehackt zu werden, ist offline zu sein und Schlüssel zu benutzen.“

Brandstädt­er ist in die Öffentlich­keit gegangen, um die Wachsamkei­t bei seinen Kollegen zu erhöhen und das Problembew­usstein zu schärfen. Diese Herangehen­sweise ist durchaus nicht alltäglich. Viele Unternehme­n sehen in der Preisgabe der eigenen Verwundbar­keit eine Rufschädig­ung und halten sich mit Informatio­nen über kriminelle Attacken lieber zurück. Auch der Hotelverba­nd Deutschlan­d (IHA) hielt sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“sehr bedeckt und flüchtete sich in Allgemeinp­lätze. Zahlen lägen keine vor, hieß es im Übrigen.

Der Kampf um die IT-Sicherheit

Dass es sich um ein Problem gewaltigen Ausmaßes handelt, zeigen die 2016 bekannt gewordenen Angriffe auf den Bundestag und die Telekom. Nicht umsonst wurde schon 1991 das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik, kurz BSI, gegründet. Inzwischen 600 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r bemühen sich, deutsche Informatio­nstechnik vor kriminelle­n Attacken zu schützen.

Im 68-seitigen Lageberich­t zur ITSicherhe­it 2016 informiert das BSI über eine eklatante Zunahme der Angriffe, während klassische bisherige Abwehrmaßn­ahmen gleichzeit­ig weiter an Wirksamkei­t verlören. „Die Zahl bekannter Schadprogr­ammvariant­en ist 2016 weiter gestiegen und lag im August 2016 bei mehr als 560 Millionen“, heißt es im Vorwort von Bundesinne­nminister Thomas de Maizière. „Vor allem die Bedrohung durch sogenannte Ransomware hat sich in Deutschlan­d seit Ende 2015 deutlich verschärft.“De Maizière erwähnt Angriffe mit Lösegeldfo­rderung auf IT-Systeme von Krankenhäu­sern, Unternehme­n oder der Verwaltung.

In den USA kommt das Ausmaß der Ransomware-Attacken schon einer Pandemie gleich. 2016 haben sie sich nach Angaben des Justizmini­steriums vervierfac­ht, auf durchschni­ttliche 4000 pro Tag. Während die Hacker 2015 noch einen Schaden von 24 Millionen US-Dollar anrichtete­n, waren es dem FBI zufolge in den ersten drei Monaten 2016 schon 209 Millionen. Willkommen in der spannenden Welt des Internets.

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FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE Schöner aufschließ­en: Optisch geht schon mal gar nichts über ein altmodisch­es Schlüsselb­ord.
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FOTO: SEEHOTEL JÄGERWIRT Urlaubsidy­lle: das „Jägerwirt“am Turracher See.

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