Heuberger Bote

Genetische­r Einfluss nimmt mit dem Alter zu

Zwillingss­tudie: Erfolg hängt nicht nur von der Umwelt ab

- Von Wolfgang Dahlmann

(dpa) Müssen Musterschü­ler den Eltern dankbar sein? Oder liegt es an ihrem Umfeld, dass sie gute Noten schreiben? Wie ist das im Beruf ? Und haben Gene einen Einfluss auf das Wahlverhal­ten? Von einer Zwillingss­tudie erhoffen sich deutsche Forscher Wissen zur Entstehung von sozialer Ungleichhe­it. Rund 4000 Zwillingsp­aare und deren Familienan­gehörige nehmen teil, nun können die Forscher mit ersten Ergebnisse­n aufwarten.

Denn ihrer Einschätzu­ng nach sind genetische Anlagen und die Umwelt im Großen und Ganzen gleicherma­ßen für die Entwicklun­g junger Menschen verantwort­lich. Kommen Jugendlich­e ins Erwachsene­nalter, spielen die Gene eine immer größere Rolle, berichten Forscher der Universitä­ten Bielefeld und des Saarlandes.

Die 2014 begonnene Befragung der Zwillinge und Angehörige­n ist in vier Etappen über einen Zeitraum von acht Jahren angelegt. Dabei bekommen die nach dem Zufallspri­nzip über Einwohnerm­eldeämter ausgesucht­en Befragten größere Fragenkata­loge vorgelegt.

Es geht um mehr als die Gene

Ein vorläufige­s Ergebnis von „TwinLife“: der Ausbildung­serfolg hängt nicht nur von den Eltern ab. „Wir haben herausgefu­nden, dass es deutliche genetische Effekte gibt“, sagt Professor Rainer Riemann von der Universitä­t Bielefeld. Er leitet die Studie zusammen mit Professor Martin Diewald in Ostwestfal­en.

Die Kette „Gene beeinfluss­en die Intelligen­z, und Intelligen­z ist die wichtigste Eigenschaf­t für die Bildung“ist nach Darstellun­g von Diewald aber zu einfach gedacht. Er macht beim Einfluss der Gene auf die schulische Entwicklun­g Einschränk­ungen. „Gene sind zwar sehr wichtig für die Intelligen­zentwicklu­ng. Bedeutsam ist aber insbesonde­re in Deutschlan­d die sehr wichtige und vorentsche­idende Einstufung in Schullaufb­ahnen“, sagt Diewald. „Und die ist sehr stark durch die Bildung und die Klassenzug­ehörigkeit des Elternhaus­es geprägt.“

Schulnoten innerhalb der Schulzweig­e wiederum seien stärker durch die Gene beeinfluss­t, aber auch durch die soziale Herkunft, insbesonde­re auch das Einkommen der Eltern. „Es ist ein sehr komplizier­tes Wechselspi­el zwischen genetische­n und sozialen Einflüssen, die unseren Bildungser­folg und später unseren Lebenserfo­lg erklären“, betont Soziologe Diewald.

Auf jeden Fall spielen den Studienerg­ebnissen zufolge genetische Voraussetz­ungen und Umwelt zusammen. „Dabei entwickeln sich Kinder bei gleichen genetische­n Bedingunge­n in unterschie­dlichen Umgebungen auch unterschie­dlich“, sagt Riemann. Sei niemand da, der sich um die schulische Entwicklun­g oder eine gute Sprache kümmere, entwickle sich die Intelligen­z auch nicht so gut wie in einer normalen Umwelt.

Überrascht hat die Forscher ein Ergebnis zur Entwicklun­g von 17-Jährigen im Vergleich zu 23-Jährigen. Bei den Jüngeren sei die soziale Teilhabe am Leben, also die Mitwirkung in Vereinen, Chören oder Interessen­gruppen, noch stark von Vorlieben der Familie und der Umgebung abhängig. „Schon bei 23-Jährigen wandelt sich das Bild“, sagt Riemann. Genetische Effekte würden bedeutsame­r, die Familienum­welt spiele kaum noch eine Rolle.

Dabei sei es bei Zwillingen noch wichtig, ob sie ein- oder zweieiig sind. Eineiige Zwillinge ähnelten sich in ihrem Verhalten, zweieiige nicht. „Wenn die jungen Erwachsene­n sich ihre eigenen Umgebungen aussuchen, richten sich die Verhaltens­weisen stärker nach den genetische­n Anlagen“, betont der Forscher. Das gilt nach den Zwischener­gebnissen auch für die politische Beteiligun­g am Leben. Da geht es zunächst um einfache Handlungen wie die Beteiligun­g an Boykottauf­rufen oder Unterschri­ftenaktion­en. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Beteiligte­n aus bildungsfe­rneren Elternhäus­ern sich weniger engagieren.“

Auch auf die direkte Politik hat die Kombinatio­n aus Genen und dem familiären Einfluss Folgen. Denn die Forscher sind der politische­n Orientieru­ng noch genauer auf den Grund gegangen. Eine Frage lautete: „Zu welcher Partei tendieren Sie am ehesten?“Das Ergebnis: Kinder aus Familien mit hohen Bildungsab­schlüssen bevorzugen tendenziel­l eher sozialdemo­kratische oder linke Parteien. Dabei nimmt der Einfluss der Familie im Alter zwischen 17 und 23 Jahren ab – und der genetische Einfluss zu.

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FOTO: IMAGO

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