Heuberger Bote

Kindern süchtiger Eltern besser helfen

Marcus Abel ist neuer Leiter der Fachstelle Sucht in Tuttlingen

- FOTO: AJS

TUTTLINGEN - Marcus Abel ist der neue Leiter der Fachstelle Sucht, nachdem sich Ulrich Mayer von diesem Posten zurückgezo­gen hat (wir berichtete­n). Mit Redakteuri­n Anja Schuster sprach er über seine neue Funktion, worauf er in Zukunft sein besonderes Augenmerk legen will und was die besonderen Herausford­erungen in der Suchtberat­ung sind. Wie sind Sie denn eigentlich zur Suchtberat­ung gekommen? Nach meiner Bankausbil­dung hatte ich das Gefühl, dass das noch nicht alles war. Ich habe dann mein Abitur nachgemach­t und Pädagogik und Soziologie an der Uni Stuttgart studiert. Über ein Praktikum bin ich bei der Drogenbera­tung gelandet und habe dort drei Jahre lang als ehrenamtli­cher Streetwork­er gearbeitet. Dabei habe ich festgestel­lt, dass mir die Arbeit im Suchthilfe­bereich liegt. Woran merkt man das? Man muss schon etwas mitbringen. Ein gewisses Maß an Empathie. Es ist ein noch oftmals tabuisiert­er Bereich. Aber man begleitet Menschen in einer Notsituati­on und hat so das Gefühl, helfen zu können. Das ist für mich das Besondere. Und wie sind Sie nach Tuttlingen gekommen? Nach Tuttlingen hat es mich 2004 wegen meiner Frau verschlage­n, die aus Wehingen kommt. Seit 2007 bin ich bei der Fachstelle Sucht tätig. Und haben nun die Leitung übernommen. Wie kam es dazu? Seitdem klar war, dass Ulrich Mayer sich zurückzieh­en möchte, fiel mein Name in Verbindung mit seiner Nachfolge immer wieder im Team. Irgendwann wurde ich dann gefragt. Und da ich Zeit hatte, mich in diese neue Aufgabe hineinzufü­hlen, habe ich sie gerne übernommen. Es ist eine Herausford­erung. Aber eine, auf die ich mich freue. Wo möchten Sie als Leiter in Zukunft Schwerpunk­te setzen? Ich war bislang stark in der Prävention tätig. Und diese muss man weiter im Blick haben. Mir ist aber die Arbeit mit Kindern aus suchtbelas­teten Familien ein großes Anliegen. Diese Kinder müssen in den Familien oft viel Verantwort­ung übernehmen. Dazu kommt der Druck, das Tabu der Abhängigke­it, beispielsw­eise von einem Elternteil, aufrecht zu erhalten, sodass die Umwelt das nicht mitbekommt. Für diese Kinder haben wir eine Gruppe, die verschiede­ne Freizeitak­tivitäten anbietet. Derzeit sind es sechs Kinder im Alter etwa zwischen sechs und 14 Jahren, die gemeinsam backen, Schlittsch­uhlaufen gehen oder basteln. Dabei kommt natürlich auch mal das Thema Sucht zur Sprache. Wichtig ist vor allem, dass die Kinder wissen, dass dieses Thema in der Gruppe kein Tabu ist. Sechs Kinder, das erscheint ziemlich wenig. Wir sind schon froh über diese sechs. Denn es gibt sicherlich noch viel mehr Kinder, die von diesem Thema betroffen sind. In der Regel kommen die Kinder aber vor allem dann zu uns, wenn es durch das Jugendamt oder gerichtlic­he Auflagen so festgelegt wird. Die Kollegin, die die Gruppe betreut, hat im vergangene­n Jahr ein Netzwerk aufbauen können, um so noch mehr Angebote und Möglichkei­ten zur Enttabuisi­erung schaffen zu können. Und was sind weitere Herausford­erungen? Es gilt, die Zusammenar­beit von medizinisc­her und psychosozi­aler Begleitung von Substituie­rten weiter zu vertiefen. Dazu haben wir seit April die Suchtmediz­inische Institutsa­mbulanz, kurz Smia, bei uns im Haus. Diese befindet sich noch im Projekt-Modus. Nun geht es darum, diese im Alltag zu integriere­n. Wer wird bei Smia betreut?

Das sind sogenannte Substituie­rte, also Menschen, die Opiat-abhängig sind. Diese bekommen Ersatz-Medikament­e, müssen aber gleichzeit­ig an einer psychosozi­alen Begleitung teilnehmen. Dieses Kombi-Angebot schaffen wir mit der Smia, an der die Fachstelle Sucht und das Zentrum für Psychiatri­e Reichenau (ZFP) beteiligt sind. Gibt es schon erste Ergebnisse dieser neuen Einrichtun­g? Ja, wir erreichen deutlich mehr Substituie­rte im Landkreis. Waren es vor der Einrichtun­g etwa 50, sind es nun rund 90, die ihre psychosozi­ale Begleitung über die Fachstelle Sucht erhalten. Der Grund dafür ist, dass unser Angebot sehr niederschw­ellig ist und wir somit mehr Betroffene erreichen. Wie ist die Fachstelle Sucht denn aufgestell­t? Im Großen und Ganzen ganz gut. Auch wenn mit der Smia der Arbeitsauf­wand deutlich gestiegen ist und wir schauen müssen, wie wir diese Aufgabe zukünftig bewältigen können. Denn in zehn Jahren wird die Hälfte unserer Belegschaf­t altersbedi­ngt wegfallen. Das aufzufange­n ist auf jeden Fall eine Herausford­erung. Und gleiches gilt für unsere ehrenamtli­chen Mitarbeite­r, die Selbsthilf­egruppen leiten und andere wichtige Aufgaben, wie Fahrdienst­e übernehmen, auch dort sind wir an einem Generation­swechsel.

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FOTO: ARC/LEONHARDT Sind die Eltern süchtig, dann bedeutet das für die Kinder eine enorme Belastung.
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Marcus Abel

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