Kühl und klar
So banal es ist: Reden ist immer besser als schweigen, zumindest in der Diplomatie. Angela Merkel hat mit dem türkischen Staatspräsidenten geredet. Und wie sich unschwer aus der Miene Recep Tayyip Erdogans ablesen ließ, nicht immer zu dessen Vergnügen. Sie hat klar, wenn auch diplomatisch, formuliert, dass sie sich um Pressefreiheit und Gewaltenteilung in der Türkei sorgt. Konfliktpunkte und Gesprächsstoff im deutsch-türkischen Verhältnis gibt es ohnehin genug: von den asylsuchenden Soldaten über den Nato-Stützpunkt Incirlik bis zum Flüchtlingspakt.
Merkel sucht keine Auseinandersetzung, aber sie hat Erdogan offen ihre Meinung gesagt, und das ausführlich. Das ist das Beste, was man tun kann im Umgang mit Autokraten wie dem türkischen Staatschef, die ehrliche Worte in ihrem Umfeld immer weniger dulden und darum auch immer weniger gewohnt sind.
Dass Merkel am Abend auch die türkischen Oppositionsvertreter in Istanbul treffen wollte, ist gut. Die Kanzlerin hat damit das erfüllt, was sich ihr Herausforderer Martin Schulz von ihr gewünscht hat: Sie hat eine doppelte Botschaft gesendet. Wir wollen im Gespräch bleiben, aber wir sehen nicht einfach zu, wenn Unrecht geschieht, lautet sie. Kritiker befürchten trotzdem, dass Erdogan die Bilder von sich und Merkel für seine politische Zwecke verwerten könne. Das allerdings dürfte schwierig werden, denn Merkel hat ziemlich genau darauf geachtet, alles andere zu tun, als Erdogan werbetauglich anzulächeln.