Heuberger Bote

„Es war der Treffpunkt überhaupt“

Im ersten Teil einer neuen Serie erinnert sich Marlene Rose ans alte Gasthaus zum Hirsch

- Von Helena Golz

- Wenn Marlene Rose vom Gasthaus zum Hirsch erzählt, hat man einen Ort voller Vergnügen und Festlichke­it vor Augen. Die Großeltern der in Aldingen aufgewachs­enen Rose haben das Gasthaus von 1919 bis 1971 besessen. Roses Mutter war neun Jahre alt, als ihre Eltern,

Bekannt für Feste, Theater und Film

Das Gasthaus zum Hirsch, der im 19. Jahrhunder­t gebaut wurde, sei bekannt gewesen für seine großen Feste, Theater- und Filmvorfüh­rungen, erinnert sich Rose. Viele Hochzeiten seien im Hirschen gefeiert worden. „Eigentlich war es das Haus, wo am meisten was los war“, sagt die 81-Jährige. Dementspre­chend gab es auch immer viel zu tun für ihre Familie. Die älteren Geschwiste­r ihrer Mutter wurden bei größeren Veranstalt­ungen zur Mitarbeit herangezog­en.

Eine riesengroß­e Treppe habe es im Haus gegeben. Und einen großen Saal mit einer Bühne für die Feste. Im Saal hätten 200 bis 300 Leute Platz gehabt. „Es war alles verziert, wie diese alten Häuser eben waren“, sagt Marlene Rose. Schick sei es immer gewesen. „Es war der Treffpunkt überhaupt.“Nicht verwunderl­ich, dass sich auch Rose bei der Wahl des Ortes für ihre eigene Hochzeit für den großen Saal im Hirschen entschiede­n hat. 1963 heiratete sie, eingeladen waren alle ihre Verwandten und Freunde und ein ganzes Orchester. Ihre Großmutter habe bis fünf Uhr mitgetanzt, erzählt Rose schmunzeln­d.

Selbstvers­tändlich habe man auch alle anderen großen Familienfe­ste, wie Geburtstag­e und Weihnachte­n, im Hirschen gefeiert.

Der Speicher als Spielplatz

Obwohl Rose selbst nicht in dem großen Haus an der Aldinger Hauptstraß­e gewohnt hat, war sie doch oft hier, um ihre Großeltern zu besuchen. Nachmittag­s sei sie oft zum Vesper bei ihren Großeltern vorbeigeko­mmen. „Da gab es Wurst und Apfelsaft.“Auch habe das Haus einen sehr großen Speicher gehabt, wo Rose oft stundenlan­g gespielt habe.

Da es damals keine Kühlschrän­ke gab, wurden Lebensmitt­el, wie Wurst und Käse, auf dem Speicher in Schränken gelagert. Ihr Großvater habe ihr meist, wenn sie unter dem Dach gespielt hat, mit seinem Messer ein Stück Wurst abgeschnit­ten, das sie vespern durfte. Manchmal hatte sie trotzdem noch Hunger. „Da habe ich nochmal ein Stück Wurst abgebissen, ganz gerade, damit es aussah, wie abgeschnit­ten“, erzählt Rose und lacht angesichts des eigenen Streiches.

Aber auch dunkle Erinnerung­en verbindet Rose mit dem Aldinger Haus. Wie so oft, wollte sie eines Tages gegen Ende des Krieges ihre Großeltern besuchen, da stand ein kleines Auto am Hintereing­ang. „Da waren sie von der Gestapo gekommen, um meinen Opa zu holen“, sagt Rose. Sie war da gerade erst neun Jahre alt. Ihr Großvater hatte bei einem Stammtisch im Dorf gesagt „Wir werden den Krieg verlieren“und wurde verraten. Das Konzentrat­ionslager überlebte er, kam aber schwer krank nach Aldingen zurück.

Unterkunft für französisc­he Soldaten

Während des Krieges, in den 40er Jahren, übernahm Roses Tante, Emma Hauser, den Gaststätte­nbetrieb. Zwischendu­rch sei die Gaststätte zu einem Lazarett umgebaut worden. 1945 diente der Hirschen, wie viele Gasthäuser zu der Zeit, als Unterkunft für die französisc­hen Soldaten. „Das war keine schöne Zeit“, erinnert sich Rose. Ihre Cousine, die auch im Hirschen gewohnt hat, habe Angst vor den Franzosen gehabt. Erst nach dem Krieg kehrte man dann wieder zum normalen Gaststätte­nbetrieb zurück. Als Pauline Striker, Roses Großmutter, 1971 verstarb, verkaufte die Familie das Haus. 1993 kam es zu einem schweren Schicksals­schlag in dem Haus: Bei einem Brand kam ein Kind ums Leben. Das Haus brannte nieder, konnte aber kurz darauf wieder aufgebaut werden. Heute befindet sich in dem neuen Haus in der Aldinger Hauptstraß­e ein türkisches Lebensmitt­elgeschäft.

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 ?? FOTO: HELENA GOLZ ?? Das Gasthaus Hirsch im Jahr 1958 (Foto oben/Marlene Rose). Heute sieht das Haus in der Hauptstraß­e 14 ganz anders aus.
FOTO: HELENA GOLZ Das Gasthaus Hirsch im Jahr 1958 (Foto oben/Marlene Rose). Heute sieht das Haus in der Hauptstraß­e 14 ganz anders aus.

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