Heuberger Bote

Auf der Spur der Abtrünnige­n

Schulleite­rin Ursula Graf kümmert sich im Kreis um die Einhaltung der Berufsschu­lpflicht

- Von Sabine Krauss

- Eigentlich ist sie Schulleite­rin der Fritz-Erler-Schule und zudem geschäftsf­ührende Schulleite­rin der Kreis-Schulen des Landkreise­s Tuttlingen. Doch über mehrere Wochen im Jahr muss sich Ursula Graf zudem um eine Pflicht kümmern, von der viele nicht wissen, dass es sie überhaupt gibt: die Berufsschu­lpflicht. Bei mehr als 1100 betroffene­n Schülern wie etwa in diesem Jahr kein einfacher Job.

Die Zeit, in der Ursula Graf zur Detektivin wird, beginnt dann, wenn alle weiterführ­enden Schulen des Landkreise­s ihr per Excel-Tabelle ihre Schulabgän­ger melden, die unter 18 Jahre alt sind. Ob nach Schulabbru­ch, nach Hauptschul­abschluss, nach Mittlerer Reife oder bei angestrebt­em Schulwechs­el: Jeder Name landet auf Grafs Schreibtis­ch. „Dann beginnt die eigentlich­e Arbeit“, sagt die geschäftsf­ührende Schulleite­rin.

Ein Viertel der Fälle nachprüfen

Wenn sie Glück hat, stehen neben dem Namen konkrete Angaben, wie es weitergehe­n soll: etwa „Besuch des Berufskoll­egs an der Erwin-Teufel-Schule Spaichinge­n“oder „Ausbildung bei Frisör XY mit Besuch der Berufsschu­le in Tuttlingen“. In solchen Fällen muss sie die Namen nur an die betreffend­en Schulen weiterleit­en, die wiederum überprüfen, ob die entspreche­nden Kandidaten tatsächlic­h dort auftauchen.

Doch das ist längst nicht die Regel. „Etwa ein Viertel der Gemeldeten benötigen eine Nachbehand­lung“, sagt Graf. So waren es in diesem Schuljahr etwa rund 100 Schüler, von denen zunächst überhaupt keine Informatio­nen zu ihren weiteren Ausbildung­s- oder Schulpläne­n vorlagen. Rund 200 Schüler hatten zudem etwas angegeben, was sich bei der späteren Überprüfun­g als falsch herausstel­lte. „Letzteres liegt oft daran, dass man den gewünschte­n Ausbildung­soder Schulplatz doch nicht bekommen oder sich einfach noch einmal umorientie­rt hat“, so Graf.

Für sie und ihre Sekretaria­ts-Kolleginne­n bedeutet dies: erneutes Nachhaken – häufig auch per Anruf. „Viele, vor allem auch die Eltern, sind dann oft ganz irritiert, weil sie nicht wissen, dass es eine Berufsschu­lpflicht gibt“, erzählt sie. Doch einfach zuhause zu bleiben oder etwa zu jobben, verbietet das deutsche Schulgeset­z – zumindest für die Unter-18-Jährigen. Und Graf weiß: Um die Berufsschu­lpflicht zu erfüllen, gibt es viele Möglichkei­ten – von der weiterführ­enden Schule über Berufsfach­schule oder -kolleg bis hin zur Ausbildung. „Es gibt für jeden einen passenden Anschluss“, sagt sie.

Der passende Anschluss für jeden: Das ist es, warum Ursula Graf ihre Rolle als Überprüfer­in der Be- rufsschulp­flicht sehr genau nimmt. Warum sie gemeinsam mit ihren Mitstreite­rn aus den Nachbarkre­isen das System über die Jahre so perfektion­iert hat, dass mittlerwei­le nur noch ganz wenige durchs Raster fallen. „Mir geht es nicht darum, die Jugendlich­en zur Schule zu prügeln“, sagt sie. Doch jungen Menschen eine Perspektiv­e aufzuzeige­n – das ist es, was ihr am Herzen liegt. „Das aber mit einer Ausbildung, nicht als Hilfsarbei­ter.“

Auf keinen Anruf reagiert

Immer gelingt dies jedoch nicht. Anfang Februar sind Ursula Graf und ihre Helferinne­n im Sekretaria­t der Fritz-Erler-Schule nun soweit, dass fast alle der „Vermissten“ausfindig und einer Schule oder berufliche­n Maßnahme zugeordnet werden konnten. Jedes Jahr jedoch verbleibt ein kleiner Rest, der auf kein Anschreibe­n, auf keinen Anruf reagiert – derzeit sind es 23 an der Zahl.

Hier kommt Jugendberu­fsbegleite­rin Jessica Wagner ins Spiel, die zu 50 Prozent an der Fritz-Erler-Schule und zu 50 Prozent bei Mutpol arbeitet. Sie ist es, die mit weiteren Briefen und Anrufen versucht, die Verweigere­r zumindest zu einem Beratungsg­espräch an ihren Schreibtis­ch zu bekommen. Die teils selbst ins Auto steigt und bei den Kandidaten an der Haustür klingelt. „Manche von ihnen suchen und finden nichts, andere wiederum wollen nicht – das ist manchmal schwierig zu unterschei­den“, sagt sie.

Wenn alle Bemühungen zu helfen scheitern, bleibt ihr meist nur noch eines: das Einschalte­n von Polizei und Jugendamt. „Das kommt aber zum Glück selten vor“, sagt sie. Häufiger passiert es, dass hartnäckig­e Verweigere­r die Schulpflic­ht-Überprüfer so lange hinhalten, bis der 18. Geburtstag ansteht. Und danach ist jeder für sich selbst verantwort­lich.

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Das Gränzbote-Team startet wieder.
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FOTO: S. KRAUSS Ursula Graf, geschäftsf­ührende Schulleite­rin der Landkreis-Schulen, überprüft jährlich bei rund 1100 Schülern, ob die Berufsschu­lpflicht eingehalte­n wird.

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