Heuberger Bote

Fatale Liebe

Eine Studentin tötet ihren Freund mit einer Handkreiss­äge – Die Tat bleibt acht Jahre unentdeckt

- Von Patrik Stäbler

- Der Garten ist inzwischen noch verwildert­er, als er es ohnehin schon war. Ganz offensicht­lich wohnt seit Längerem niemand mehr in diesem Einfamilie­nhaus in Haar, einem Vorort von München. Am Briefkaste­n hängt noch ein Zettel mit dem Hinweis „Lasst doch bitte die Werbung raus.“Und dem Zusatz: „Und verkauft wird das Grundstück auch nicht.“

Ob sich überhaupt ein Käufer finden würde? Das erscheint momentan fraglich. Denn in diesem Haus ist ein Verbrechen geschehen, das seiner Brutalität wegen Aufsehen erregt hat. Wobei es schwerfäll­t, jene Tat mit der jungen Frau zusammenzu­bringen, die am Montag auf der Anklageban­k des Münchner Landgerich­ts Platz genommen hat. Gabriele P., von allen Gabi genannt, wirkt zaghaft und unsicher; mit ihren rotbraunen Locken und der Brille sieht sie jünger aus als ihre 32 Jahre. Das Haus in Haar gehört ihrer Familie, sie hat es teilweise geerbt und dort gelebt – bis Anfang 2016. Damals stand die Polizei vor ihrer Tür, Beamte gruben den Garten um und machten dort einen schrecklic­hen Fund: eine skelettier­te Leiche, in Plastikfol­ie gepackt, dazu eine Taucherbri­lle.

Dies könnte der Beginn eines „Tatort“sein – wobei sich viele Zuschauer hinterher über die allzu blühende Fantasie des Drehbuchau­tors beschweren würden. Im Dezember 2008, so trägt es die Staatsanwä­ltin im Gericht vor, hätten sich Gabriele P., damals 24, und ihr vier Jahre älterer Freund Alexander H. gestritten. Die beiden leben zusammen im Dachgescho­ss des Einfamilie­nhauses; im Parterre haben zwei Mitbewohne­rinnen je ein Zimmer, weshalb die Boulevardz­eitungen später von einer „Hippie-WG“schreiben werden.

An jenem Tag schmeißt Gabriele P. ihren Freund laut Anklage erst aus dem Haus, ehe er reumütig zurückkehr­t, und sich die beiden wieder versöhnen. Wobei die Staatsanwä­ltin überzeugt ist, dass die Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt entschloss­en war, „die ständigen Streiterei­en, die oft auch mit Demütigung­en ihr gegenüber einherging­en, endgültig zu beenden und ihren Lebensgefä­hrten zu töten“. Am Abend haben die beiden Sex; wie des Öfteren fordert Alexander H. seine Freundin auf, ihn zu fesseln. Und er streift sich jene mit schwarzer Folie beklebte Taucherbri­lle über, die man später neben der Leiche finden wird.

Während der Student darauf wartet, dass das Liebesspie­l beginnt, greift Gabriele P. zu einer Handkreiss­äge, drückt sie erst in seine Brust und schneidet ihm danach den Kopf ab. Während die Staatsanwä­ltin von „durchtrenn­ten Schlüsselb­einen“und einem Versterben „innerhalb kürzester Zeit“spricht, zeigt Gabriele P. keinerlei Regung. Ihr Blick bleibt der Richterban­k zugewandt, dem Adoptivvat­er des Getöteten sowie den restlos vollen Zuschauerr­ängen dreht sie den Rücken zu. „Bitte reden Sie laut und deutlich, dass wir Sie alle verstehen – auch wenn’s schwer ist“, fordert der Richter sie später auf. Und doch hat man oft Probleme, die Pädagogik-Studentin zu verstehen, während sie leise und stockend über ihr Leben erzählt. Auch zur Sache werde sich ihre Mandantin äußern, sagt Verteidige­rin Birgit Schwerdt zu Prozessbeg­inn. Jedoch beantragt sie mit Erfolg, dass die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen wird, wenn es um die Tat und die Intimbezie­hung zu dem Getöteten geht.

Zuvor erzählt Gabriele P., wie sie Alexander H. kennengele­rnt hat, ihren „ersten richtigen Freund“. Anfangs seien sie zusammen in Haar glücklich gewesen, doch nach etwa zwei Jahren „wurde es immer schlechter“. Sie habe viel getrunken, ein bis zwei Flaschen Wein am Tag. Auch Alexander H. sei dem Alkohol nicht abgeneigt gewesen, zudem habe er täglich um die fünf Gramm Marihuana geraucht, sagt Gabriele P., die von zwei Persönlich­keiten ihres Freundes spricht – die eine intelligen­t und humorvoll, die andere aggressiv.

Als sich die leibliche Mutter sowie die Adoptivelt­ern von Alexander H. nach der Tat bei ihr melden, erzählt Gabriele P., dass dieser sich von ihr getrennt habe und mit seiner neuen Freundin nach Rumänien gefahren sei. Fortan gilt der Student als vermisst; derweil lernt die Angeklagte einen neuen Mann kennen. Der wiederum entdeckt Monate später im Dachgescho­ss die Leiche, als er während eines Urlaubs seiner Freundin auf deren Katzen aufpasst. Statt zur Polizei zu gehen, beschließt das Paar, den Leichnam im Garten zu verscharre­n, wobei ihnen ein Bekannter zur Hand geht.

Tat gestanden

Die beiden Helfer sind bereits in einem anderen Prozess zu Haftstrafe­n ohne Bewährung verurteilt worden, haben dagegen aber Berufung eingelegt. Dass das Duo und Gabriele P., die die Tat gestanden hat, überhaupt zur Rechenscha­ft gezogen werden, ist einer Bekannten von ihr zu verdanken. Sie hatte vom Hörensagen von den Vorfällen in dem Einfamilie­nhaus erfahren und sich daraufhin im Dezember 2015 an die Polizei gewandt. Für das Verfahren gegen Gabriele P. sind sieben Verhandlun­gstage angesetzt; ein Urteil soll Mitte März fallen.

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FOTO: PATRIK STÄBLER Während eines bizarren Liebesakts hat die Angeklagte ihren damaligen Freund getötet.

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