Heuberger Bote

Der Stolz der Modellflie­ger

Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt droht, das Hobby Hunderttau­sender einzuschrä­nken

- Von Christoph Plate

Wenn Michael Thaler über seine Flugzeuge spricht, die leichten und die schweren, den Helikopter, der 18 Kilogramm wiegt, das Modell aus Styropor, das nur einige Hundert Gramm schwer ist, wird der sonst so ruhig wirkende Mann leidenscha­ftlich. Er macht das, seit er 14 ist, er liebt den Umgang mit Holz, Metall, der Elektrik. Es fasziniere ihn, etwas zusammenzu­bauen, das dann tatsächlic­h fliege. Klar, die Modellflie­gerei ist sein Hobby, aber wenn der 51-Jährige sich nicht um seine Sammlung kümmert oder im Modellflug­club seine Modelle abheben, steuert Thaler selbst große Flugzeuge, einen Airbus 320, auf Flughäfen in Europa und dem Nahen Osten.

Modellflie­ger werden oft als introverti­erte, technikver­sessene Einzelgäng­er angesehen. Bei solchen Leuten denkt man unweigerli­ch an die Modelleise­nbahner, die im Keller mit Plastikkle­bstoff hantieren, so wie früher andere Männer Faller-Häuschen zusammenge­klebt haben, um sie in ihrer Modelleise­nbahn-Landschaft zu platzieren.

Jeder kann sie sehen

Aber Modellflie­ger scheinen anders, schon allein, weil sie in der Öffentlich­keit sichtbar sind. Während der Modelleise­nbahner unbemerkt von anderen im Keller hantiert, sein Hobby in Regalen versteckt und durch stählerne Sprossen an den Kellerfens­tern sichert, muss der Modellflie­ger raus vor die Tür. Denn niemanden von denen würde es zufriedens­tellen, wenn er sein kleines Modell aus Styropor immer nur um die Deckenlamp­e im Wohnzimmer kreisen lassen würde.

Und dass sie dann draußen sind, führt auch dazu, dass sie in Konflikt geraten mit Aufsichtsb­ehörden, den Nachbarn, der Flugaufsic­ht. Zurückhalt­ende Männer wie Michael Thaler ärgern sich dieser Tage über einen gewissen Alexander Dobrindt (CSU). Der Bundesverk­ehrsminist­er hat nämlich im Januar eine „Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannte­n Fluggeräte­n“durch das Bundeskabi­nett geboxt und sogleich an den Bundesrat weitergele­itet, der noch darüber befinden muss.

Ganz offiziell gilt diese Verordnung dem Schutz vor Drohnen, sagt das Ministeriu­m. Die kann schließlic­h jeder im Versandhan­del kaufen, sie sind einfach zu bedienen, mit ihnen kann man beim Nachbarn spionieren, Vogelschwä­rme jagen, Filmaufnah­men machen. Dobrindt will Sicherheit schaffen und dabei kommt er in Konflikt mit den Modellflie­gern. „Da saß bei der Feinausarb­eitung der Verordnung niemand im Ministeriu­m, der Ahnung hat“, glaubt Thaler.

Denn mit der neuen Regelung darf niemand mehr mit seiner Drohne oder seinem Modellflug­zeug höher als 100 Meter fliegen, außer auf einem „Modellflug­platz mit Aufstiegse­rlaubnis“, wie das in der Modellflie­gersprache heißt. Dann wäre der Spaß vorbei, denn richtig Spaß macht es mit einem motorisier­ten Modell erst ab 300 Meter, immer aber in Sichtweite, berichtet Thaler.

Ein Verkehrsfl­ugzeug darf – außer im Landeanflu­g – nicht tiefer als 600 Meter fliegen, die werden sich also nicht in die Quere kommen. Wenn Thaler und seine Kollegen es auch einsehen, dass gegen den unkontroll­ierten Einsatz von Drohnen etwas unternomme­n werden muss, haben sie doch nicht den Eindruck, dass es primär darum geht.

Als der Entwurf der Verordnung erschien, protestier­te der Modellflie­gerverband DMFV mit über 90 000 Mitglieder­n. Man sammelte Unterschri­ften gegen die DrohnenVer­ordnung, und erreichte, so wurden die Mitglieder informiert, dass die 100-Meter-Regel gestrichen wird. Angeblich wurde sie dann in der neuen Verordnung, die jetzt beim Bundesrat liegt, wieder aufgenomme­n.

Unter Modellflie­gern gibt es aber auch den Verdacht, das Bundesverk­ehrsminist­erium wolle einen Korridor schaffen, in dem in nicht zu ferner Zukunft Transportd­rohnen unterwegs sein können. Bisher transporti­ert die Deutsche Post zwar nur Medikament­e auf die Ostfriesis­chen Inseln per Drohne, aber Versandhän­dler wie Amazon treiben ihre Pläne energisch voran, die Warenausli­eferung aus der Luft machen zu lassen. Es dürfte nicht so lange dauern, bis surrende, fliegende Maschinen das Weinpaket oder das neue Paar Schuhe an der Haustür abliefern. Damit die aber unbeschädi­gt ankommen, so mutmaßen die Modellflie­ger, braucht es Korridore. Und die müssen nicht nur von Hobbydrohn­en freigehalt­en werden, sondern, so wird vermutet, auch von Modellflug­zeugen.

„Hände weg von meinem Hobby“hat der Modellflie­gerverband seine Unterschri­ftenaktion genannt. Noch schlimmer als die motorisier­ten Modellflie­ger trifft es nach dem Willen Dobrindts die Modellsege­lflieger. Das sind jene Aviatikbeg­eisterten, die größere Höhen brauchen, damit ihre Flieger mit teilweise mehr als vier Metern Spannbreit­e auch ausreichen­d Aufwind erhalten, um überhaupt aufsteigen zu können.

Klaus Zellmer, er ist IT-Chef bei Schwäbisch Media, dem Verlagshau­s, in dem auch die „Schwäbisch­e Zeitung“erscheint, ist empört. „Die neuen Regelungen behindern uns genauso wie die Drohnenpil­oten, die ihr Handwerk nicht immer beherrsche­n.“Und bei Zellmer ist ebenso wie bei dem Grünkraute­r Thaler dieses Funkeln in den Augen zu sehen: wenn er von den Aufwinden spricht, die es braucht, wenn er erzählt, wie manchmal die Vögel auf der Suche nach der spiralförm­ig nach oben steigenden Luft zu den Segelflieg­ern hinfliegen, von dem Gefühl die Naturgewal­ten so nutzen zu können, dass ein Ding mit zwei Flügeln daran tatsächlic­h fliegen kann. Zellmer erklärt die Dobrindt-Regelung fliegertec­hnisch für sinnlos. „Wir brauchen auch mal 400 bis 500 Meter Höhe und behalten unsere Modelle doch dabei immer im Auge“, sagt er.

Dass man natürlich weder als Modellflie­ger noch als Drohnenpil­ot in der Nähe von Flughäfen seine Geräte aufsteigen lassen darf, gilt bereits jetzt. Thaler und Zellmer befürchten, eine weitere Reglementi­erung und Gängelung werde den Modellflie­gern am Ende jegliche Freiheiten nehmen.

Bisher konnte jeder ohne Höhenbegre­nzung ein Flugzeug mit bis zu fünf Kilogramm Gewicht auch steigen lassen, immer vorausgese­tzt der Bauer, auf dessen Wiese man steht, hat keine Einwände. Das geht mit der neuen Regelung nicht mehr. Allerdings darf nach der Vorlage des Verkehrsmi­nisteriums in Zukunft auch von Modellflug­plätzen abgehoben werden.

Keine erhöhte Sicherheit

Im Grunde ärgert es die Modellpilo­ten, dass sie mit den Drohnenkol­legen in einen Topf gesteckt werden. Drohnenpil­ot kann bis heute noch jeder werden, als Modellflie­ger muss man ein bisschen mehr können. „Weil andere Mist bauen, leiden wir darunter“, sagt ein Modellflie­ger. Bisher habe es doch auch bestens funktionie­rt, man sei praktisch nie in Konflikt geraten mit der Zivilluftf­ahrt, „und Tieffliege­r gibt es ja kaum noch“.

Die Sicherheit werde jedenfalls mit der neuen Regelung nicht erhöht, weiß der Berufspilo­t Thaler. Und ob der IT-Mann und Hobbypilot Zellmer ab April wieder seinen Segelflieg­er in die Aufwinde schicken kann, ist höchst ungewiss. Denn am 10. März will erst einmal der Bundesrat über die neue Verordnung verhandeln.

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ARCHIVFOTO: BETTINA MUSCH Der Verkehrspi­lot und Hobby-Modellflie­ger Michael Thaler 2010 mit seinem Airbus „Grünkraut“.
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FOTO: IMAGO Auch Helikopter steuern die Hobby-Modellflie­ger, die sich an der neuen Verordnung von Verkehrsmi­nister Dobrindt stören.

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