Der Stolz der Modellflieger
Verkehrsminister Alexander Dobrindt droht, das Hobby Hunderttausender einzuschränken
Wenn Michael Thaler über seine Flugzeuge spricht, die leichten und die schweren, den Helikopter, der 18 Kilogramm wiegt, das Modell aus Styropor, das nur einige Hundert Gramm schwer ist, wird der sonst so ruhig wirkende Mann leidenschaftlich. Er macht das, seit er 14 ist, er liebt den Umgang mit Holz, Metall, der Elektrik. Es fasziniere ihn, etwas zusammenzubauen, das dann tatsächlich fliege. Klar, die Modellfliegerei ist sein Hobby, aber wenn der 51-Jährige sich nicht um seine Sammlung kümmert oder im Modellflugclub seine Modelle abheben, steuert Thaler selbst große Flugzeuge, einen Airbus 320, auf Flughäfen in Europa und dem Nahen Osten.
Modellflieger werden oft als introvertierte, technikversessene Einzelgänger angesehen. Bei solchen Leuten denkt man unweigerlich an die Modelleisenbahner, die im Keller mit Plastikklebstoff hantieren, so wie früher andere Männer Faller-Häuschen zusammengeklebt haben, um sie in ihrer Modelleisenbahn-Landschaft zu platzieren.
Jeder kann sie sehen
Aber Modellflieger scheinen anders, schon allein, weil sie in der Öffentlichkeit sichtbar sind. Während der Modelleisenbahner unbemerkt von anderen im Keller hantiert, sein Hobby in Regalen versteckt und durch stählerne Sprossen an den Kellerfenstern sichert, muss der Modellflieger raus vor die Tür. Denn niemanden von denen würde es zufriedenstellen, wenn er sein kleines Modell aus Styropor immer nur um die Deckenlampe im Wohnzimmer kreisen lassen würde.
Und dass sie dann draußen sind, führt auch dazu, dass sie in Konflikt geraten mit Aufsichtsbehörden, den Nachbarn, der Flugaufsicht. Zurückhaltende Männer wie Michael Thaler ärgern sich dieser Tage über einen gewissen Alexander Dobrindt (CSU). Der Bundesverkehrsminister hat nämlich im Januar eine „Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten“durch das Bundeskabinett geboxt und sogleich an den Bundesrat weitergeleitet, der noch darüber befinden muss.
Ganz offiziell gilt diese Verordnung dem Schutz vor Drohnen, sagt das Ministerium. Die kann schließlich jeder im Versandhandel kaufen, sie sind einfach zu bedienen, mit ihnen kann man beim Nachbarn spionieren, Vogelschwärme jagen, Filmaufnahmen machen. Dobrindt will Sicherheit schaffen und dabei kommt er in Konflikt mit den Modellfliegern. „Da saß bei der Feinausarbeitung der Verordnung niemand im Ministerium, der Ahnung hat“, glaubt Thaler.
Denn mit der neuen Regelung darf niemand mehr mit seiner Drohne oder seinem Modellflugzeug höher als 100 Meter fliegen, außer auf einem „Modellflugplatz mit Aufstiegserlaubnis“, wie das in der Modellfliegersprache heißt. Dann wäre der Spaß vorbei, denn richtig Spaß macht es mit einem motorisierten Modell erst ab 300 Meter, immer aber in Sichtweite, berichtet Thaler.
Ein Verkehrsflugzeug darf – außer im Landeanflug – nicht tiefer als 600 Meter fliegen, die werden sich also nicht in die Quere kommen. Wenn Thaler und seine Kollegen es auch einsehen, dass gegen den unkontrollierten Einsatz von Drohnen etwas unternommen werden muss, haben sie doch nicht den Eindruck, dass es primär darum geht.
Als der Entwurf der Verordnung erschien, protestierte der Modellfliegerverband DMFV mit über 90 000 Mitgliedern. Man sammelte Unterschriften gegen die DrohnenVerordnung, und erreichte, so wurden die Mitglieder informiert, dass die 100-Meter-Regel gestrichen wird. Angeblich wurde sie dann in der neuen Verordnung, die jetzt beim Bundesrat liegt, wieder aufgenommen.
Unter Modellfliegern gibt es aber auch den Verdacht, das Bundesverkehrsministerium wolle einen Korridor schaffen, in dem in nicht zu ferner Zukunft Transportdrohnen unterwegs sein können. Bisher transportiert die Deutsche Post zwar nur Medikamente auf die Ostfriesischen Inseln per Drohne, aber Versandhändler wie Amazon treiben ihre Pläne energisch voran, die Warenauslieferung aus der Luft machen zu lassen. Es dürfte nicht so lange dauern, bis surrende, fliegende Maschinen das Weinpaket oder das neue Paar Schuhe an der Haustür abliefern. Damit die aber unbeschädigt ankommen, so mutmaßen die Modellflieger, braucht es Korridore. Und die müssen nicht nur von Hobbydrohnen freigehalten werden, sondern, so wird vermutet, auch von Modellflugzeugen.
„Hände weg von meinem Hobby“hat der Modellfliegerverband seine Unterschriftenaktion genannt. Noch schlimmer als die motorisierten Modellflieger trifft es nach dem Willen Dobrindts die Modellsegelflieger. Das sind jene Aviatikbegeisterten, die größere Höhen brauchen, damit ihre Flieger mit teilweise mehr als vier Metern Spannbreite auch ausreichend Aufwind erhalten, um überhaupt aufsteigen zu können.
Klaus Zellmer, er ist IT-Chef bei Schwäbisch Media, dem Verlagshaus, in dem auch die „Schwäbische Zeitung“erscheint, ist empört. „Die neuen Regelungen behindern uns genauso wie die Drohnenpiloten, die ihr Handwerk nicht immer beherrschen.“Und bei Zellmer ist ebenso wie bei dem Grünkrauter Thaler dieses Funkeln in den Augen zu sehen: wenn er von den Aufwinden spricht, die es braucht, wenn er erzählt, wie manchmal die Vögel auf der Suche nach der spiralförmig nach oben steigenden Luft zu den Segelfliegern hinfliegen, von dem Gefühl die Naturgewalten so nutzen zu können, dass ein Ding mit zwei Flügeln daran tatsächlich fliegen kann. Zellmer erklärt die Dobrindt-Regelung fliegertechnisch für sinnlos. „Wir brauchen auch mal 400 bis 500 Meter Höhe und behalten unsere Modelle doch dabei immer im Auge“, sagt er.
Dass man natürlich weder als Modellflieger noch als Drohnenpilot in der Nähe von Flughäfen seine Geräte aufsteigen lassen darf, gilt bereits jetzt. Thaler und Zellmer befürchten, eine weitere Reglementierung und Gängelung werde den Modellfliegern am Ende jegliche Freiheiten nehmen.
Bisher konnte jeder ohne Höhenbegrenzung ein Flugzeug mit bis zu fünf Kilogramm Gewicht auch steigen lassen, immer vorausgesetzt der Bauer, auf dessen Wiese man steht, hat keine Einwände. Das geht mit der neuen Regelung nicht mehr. Allerdings darf nach der Vorlage des Verkehrsministeriums in Zukunft auch von Modellflugplätzen abgehoben werden.
Keine erhöhte Sicherheit
Im Grunde ärgert es die Modellpiloten, dass sie mit den Drohnenkollegen in einen Topf gesteckt werden. Drohnenpilot kann bis heute noch jeder werden, als Modellflieger muss man ein bisschen mehr können. „Weil andere Mist bauen, leiden wir darunter“, sagt ein Modellflieger. Bisher habe es doch auch bestens funktioniert, man sei praktisch nie in Konflikt geraten mit der Zivilluftfahrt, „und Tiefflieger gibt es ja kaum noch“.
Die Sicherheit werde jedenfalls mit der neuen Regelung nicht erhöht, weiß der Berufspilot Thaler. Und ob der IT-Mann und Hobbypilot Zellmer ab April wieder seinen Segelflieger in die Aufwinde schicken kann, ist höchst ungewiss. Denn am 10. März will erst einmal der Bundesrat über die neue Verordnung verhandeln.