Wieder Unruhen in Frankreichs Vorstädten
Der Stock der Schande“titelte die französische Zeitung „Libération“. Gemeint war der Schlagstock, mit dem ein Polizist Anfang Februar einem jungen Schwarzen bei einer Festnahme in der Pariser Vorstadt Aulnay-sous-Bois misshandelt haben soll. Seit Tagen gehen deshalb in den Banlieue Demonstranten gegen die Polizei auf die Straße. Die Bilder aus Bobigny oder Argenteuil, wo Autos in Brand gesteckt werden, erinnern an die Unruhen 2005. Damals waren zwei schwarze Jugendliche in Clichy-sous-Bois vor der Polizei in ein Transformatorenhäuschen geflüchtet und durch einen Stromschlag ums Leben gekommen.
Seit damals scheint sich nichts geändert zu haben in den berüchtigten Banlieues, jenen Vororten der Großstädte, wo hauptsächlich die Nachkommen der Einwanderer leben und die Arbeitslosigkeit deutlich höher ist als im Landesdurchschnitt.
Die Spannungen entladen sich bei den häufigen Polizeikontrollen, denen vor allem die jungen Männer in den Vorstädten unterzogen werden. So wie am 2. Februar, als vier Polizisten von Théo, der gerade sein Haus verließ, den Ausweis verlangten. Als der 22-Jährige gegen seine wiederholte Kontrolle protestierte, misshandelte ihn einer der Beamten, wie Théo berichtete. „Er hat seinen Stock genommen und ihn mir bewusst in den Hintern gestoßen.“Polizisten hätten ihn mit Tränengas besprüht, bespuckt und geschlagen. Er sei rassistischen Beschimpfungen wie „Bimbo“und „Drecksack“ausgesetzt gewesen.
Die Justiz muss nun klären, was genau die Polizisten mit Théo machten, der mit einer zehn Zentimeter langen Wunde am Anus im Krankenhaus liegt und 60 Tage krank geschrieben ist. Alle vier Polizisten wurden vom Dienst suspendiert. Gegen sie wird wegen Körperverletzung, gegen den mutmaßlichen Haupttäter auch wegen Vergewaltigung, ermittelt.
Rassistisch motivierte Polizeiwillkür in den Banlieues ist nichts Neues. Zuletzt hatte der Menschenrechtsbeauftragte Jacques Toubon auf die Ungleichbehandlung hingewiesen. So wurden von 5000 Befragten rund 80 Prozent der Araber und Schwarzen in den vergangenen fünf Jahren von der Polizei kontrolliert, aber nur 16 Prozent der Restbevölkerung.
Zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen ist das Thema nun Wahlkampf. „Ich unterstütze aus Prinzip die Polizei, bis die Justiz ihr ein Delikt nachgewiesen hat,“sagte Marine Le Pen von der rechtspopulistischen Front National. Der sozialistische Präsident François Hollande besuchte dagegen den verletzten Théo im Krankenhaus und lobte die Besonnenheit des jungen Mannes, der sich bisher nichts zuschulden kommen ließ. Vom Krankenbett aus versuchte Théo, die Gemüter zu beruhigen:„Gewalt ist nicht die richtige Art, mich zu unterstützen.“