„Das ist eine Katastrophe“
Frauenhaus Tuttlingen war 2016 zu 99 Prozent belegt – Aktionstag am 14. Februar
- Unter dem Motto „One Billion Rising“wird am kommenden Dienstag weltweit zum Tanzen gegen Gewalt an Frauen aufgerufen. Auch das Frauenhaus Tuttlingen beteiligt sich daran. Aus diesem Anlass sprach Redakteurin Anja Schuster mit Juliane Schmieder und Juliane Weinmann vom Frauenhaus über die aktuelle Situation.
Das Frauenhaus beteiligt sich wieder an der Aktion „One Billion Rising“. Warum?
Weinmann: Gewalt in der Familie ist immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema. Betroffene schämen sich, über ihre erlebte Gewalt zu reden. Durch den Aktionstag machen wir auf das Thema aufmerksam und können so vielleicht bewirken, dass sich die Menschen mit dem Thema befassen.
Wie läuft der Aktionstag ab?
Schmieder: Los geht es um 12.45 Uhr auf dem Tuttlinger Marktplatz. Unter der Anleitung einer Gruppe der TG wird dann etwa eine Stunde nach einer festen, aber leicht zu erlernenden Choreografie getanzt, und zwar zu einem extra für diesen Tag komponierten Lied, das weltweit gespielt wird.
Nach wie vor suchen viele Frauen bei Ihnen nach Hilfe. Wie war denn die Auslastung 2016?
Weinmann: Die lag im Schnitt bei 99 Prozent und war damit sehr hoch. Insgesamt haben wir 2016 29 Frauen und 34 Kinder aufgenommen?
Woran liegt das?
Schmieder: Es hängt damit zusammen, dass es sehr schwer ist, für die Frauen für die Zeit nach ihrem Aufenthalt bei uns eine Wohnung zu finden. So bleiben Plätze, die eigentlich frei werden könnten, belegt.
Und wie sieht es aktuell aus?
Schmieder: Wir sind voll. Und nicht nur wir. Von den 44 Häusern, die es in Baden-Württemberg gibt, haben gerade Mal drei oder vier ein Zimmer frei. Das ist eine Katastrophe für Frauen, die Hilfe brauchen. Denn eigentlich ist unser Leitsatz, dass wir schnell und unbürokratisch helfen.
Wie alt waren denn die Frauen, die 2016 bei Ihnen um Hilfe ersuchten?
Weinmann: 34 Prozent waren zwischen 25 und 29 Jahre alt, 31 Prozent zwischen 40 und 49 Jahre alt. Die Jüngste war 18, die Älteste 76 Jahre alt.
Waren auch Flüchtlingsfrauen darunter?
Schmieder: Ja, zwei Frauen. Bei diesen arbeiten wir eng mit den für Aufenthalt und Integration zuständigen Fachkräften zusammen. Denn eigentlich geht es bei uns darum, mit den Frauen gemeinsam Perspektiven für die Zukunft zu erarbeiten, für sie eine Wohnung und eine Arbeitsstelle zu finden. Das geht bei den Flüchtlingsfrauen nicht. Bei diesen geht es in erster Linie darum, zu klären, wo sie sicher untergebracht werden können.
In Ihrem Haus haben Sie Platz für etwa zwölf Personen. Wenn die Belegung dauerhaft so angespannt ist, gibt es Überlegungen, ein zweites Objekt anzuschaffen?
Schmieder: Mit dem aktuellen Personal ist das nicht machbar. Aber es gibt dennoch immer wieder die Überlegungen, ein sogenanntes Zweite-Phase-Haus einzurichten. Also für die Frauen, die keinen so großen Betreuungsaufwand mehr brauchen und eine gewisse Stabilität erreicht haben. Weinmann: Die Befürchtung dabei ist aber, dass die Frauen dann dort nicht ausziehen können oder wir in der Not doch wieder eine Neuaufgenommene dort unterbringen. Wenn, dann muss es ganz klare Regelungen geben. Und es geht nicht ohne eine Stellenaufstockung.
Wie lange sind denn die Frauen bei Ihnen?
Weinmann: Die Frauen, die eine eigene Wohnung suchen, bleiben im Durchschnitt drei bis vier Monate. Die Frauen, die zu ihrem Partner zurückkehren, entscheiden dies meist innerhalb der ersten zehn Tage.
Wie viele sind das?
Weinmann: 2016 waren es zwölf von 32. Schmieder: Ganz generell kann man sagen, dass 90 Prozent aller Frauen mehr als einen Anlauf brauchen, um sich zu lösen.