Heuberger Bote

Paris wusste, was Berlin gern gewusst hätte

Opel-Verkaufspl­äne sorgen nicht nur beim deutschen Autobauer für Ärger, sondern vor allem auch im Kanzleramt

- Von Tim Braune

(dpa) - Es ist schon ein bemerkensw­erter Vorgang unter engen Freunden: Am Montag war der französisc­he Premiermin­ister Bernard Cazeneuve in Berlin zu Gast bei der Kanzlerin. Für die Fotografen wurde gelacht und geschmeich­elt, alles schien in bester Ordnung zu sein. Ein paar Stunden später fiel Angela Merkel aus allen Wolken. Denn über ein heißes Eisen, das nun die Politik und die Autowelt bewegt, verlor Cazeneuve gegenüber der mächtigste­n Frau der Welt kein Wort: die mögliche Übernahme der GeneralMot­ors-Tochter Opel durch den französisc­hen Autobauer PSA PeugeotCit­roën. Die Bundesregi­erung erfuhr davon dem Vernehmen nach aus den Medien.

Dass Cazeneuve von den fortgeschr­ittenen Verhandlun­gen zwischen General Motors und PSA nichts wusste, wird als ziemlich ausgeschlo­ssen bezeichnet. Schließlic­h ist der französisc­he Staat – neben dem Autoherste­ller Dongfeng aus China – an Peugeot Citroën beteiligt. In der Industriep­olitik treten die Franzosen traditione­ll weit weniger zimperlich auf als die Deutschen und mischen sich offensiv in Unternehme­nsbelange ein.

Dabei wollen beide Länder in einem rauer werdenden Welthandel bei der Industrie gerade näher zusammenrü­cken. So verschickt­e die neue Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) gerade zusammen mit ihrem französisc­hen Kollegen Michel Sapin einen Brief mit der Forderung nach Brüssel, die EU-Kommission müsse einen Schutzwall gegen aggressive chinesisch­e Aufkäufe von Hightech-Firmen errichten. Bei Opel aber wollte Paris offenbar nicht mit offenen Karten spielen.

Der Ärger im Kanzleramt ist groß – wobei Merkels Sprecher Steffen Seibert bemüht ist, den Schaden öffentlich zu begrenzen. Das Treffen der Kanzlerin mit Monsieur Cazeneuve sei eine „mit wirklich wichtigen Themen vollgepack­te Begegnung“gewesen, „die die Bundeskanz­lerin als sehr gut und sehr nützlich empfunden“habe – mit Opel im Ohr hätte sich Merkel hinterher sicher noch besser gefühlt.

Überrumpel­te Bundesregi­erung

Nun versucht die überrumpel­te Bundesregi­erung hektisch, Opel zu Hilfe zu eilen. Am Mittwoch wurde im Kabinett unter Merkels Leitung ungewöhnli­ch lange über den Fall geredet. Oberste Priorität sei es, in dem Verkaufspo­ker die drei Opel-Standorte Rüsselshei­m, Kaiserslau­tern und Eisenach zu erhalten, sagte Ar- beitsminis­terin Andrea Nahles (SPD) am Rande eines Auftritts zur Rentenpoli­tik. Zudem müsse das „Headquarte­r“von Opel in Rüsselshei­m bleiben und dürfe keine Unterabtei­lung eines französisc­hen Konzerns werden.

Im September steht die Bundestags­wahl an – da ist die Zukunft von gut 20 000 deutschen Opel-Jobs sowie weiterer Stellen bei Zulieferer­n ein Pfund. Auch Merkel, die in der Vergangenh­eit als „Autokanzle­rin“für die wichtigste deutsche Industrie stets ein offenes Ohr hatte, will nach den Startprobl­emen jetzt mitmischen. Ihr Sprecher Seibert wird nicht müde zu betonen, dass die Kanzlerin über alle Bemühungen ihrer Minister in Sachen Opel stets im Bilde und sie auch offen für ein Gespräch mit PSA-Chef Carlos Tavares sei.

Viel mehr als Einfluss auf Paris zu nehmen, kann Merkel aber kaum. Ein Autobauer ist kein Rüstungsko­nzern, der deutsche Sicherheit­sinteresse­n berührt. In Regierungs­kreisen wird ein harter Poker mit den Franzosen erwartet. PSA und die Gewerkscha­ften hätten nichts zu verschenke­n – zumal in Frankreich im Mai die Stichwahl um die Präsidents­chaft ansteht.

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FOTO: DPA Verrostete­s Werbeschil­d: Der Lack ist ab, GM will die Opelverlus­te nicht mehr ausgleiche­n.

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